Die Aldi-Welt
womöglich ein Wunder an der Ruhr bewirkt.
Vielleicht hat sich ja – diesseits der Sorge um das Wohlergehen des Planeten – auf dem Gebiet der Arbeit, der Mitarbeiterführung, etwas Christlich-Soziales in den Köpfen der Aldi-Katholiken durchgesetzt. Es ist zu befürchten, daß auch hier die reine Lehre nicht wirklich angekommen ist. Die christliche Sozialethik stellt den Sinn der Arbeit ins Zentrum ihrer Überlegungen. Arbeit, die zwar entlohnt würde, aber keine Sinnstiftung vermittle, könne nicht das Ziel sein. Vielmehr müsse jede Beschäftigung erstens moralisch einwandfrei und zweitens so angelegt sein, daß sie sich der Arbeitnehmer als persönliches Ziel zu eigen machen könne. Hier wird man sich fragen müssen, was unter moralisch einwandfrei zu verstehen ist. Auf Arbeitgeberseite: die Anhäufung von Kapital? Die Position, die Nell-Breuning hier vertritt, ist zweifellos arg idealistisch, um nicht zu sagen gewollt naiv. Es wäre dann schon interessant zu wissen, welche moralisch einwandfreie Sinnstiftung ein Metzger in einer Großschlachterei oder ein Geldwäscher einer Großbank empfindet. Aldi läßt es erst einmal gar nicht so weit kommen: Da wird Arbeit verknappt, Belegschaftszahlen minimiert – und für Sinnstiftung ist der Kundenansturm zu groß.
Spannend wird die ganze Frage erst wirklich, wenn es an das Problem der Verteilungsgerechtigkeit geht. Als Jesus die Händler aus dem Tempel jagte, war damit auch die Ächtung von Zins und Wucher verbunden. Schon von daher müßte sich ein Superreicher, der dem katholischen Glauben anhängt, fragen lassen, woher er seinen Reichtum habe. In der modernen Fassung der zeitgenössischen Soziallehre, hat ein Unternehmer jedoch in einer Marktwirtschaft nach christlichem Glauben durchaus das Recht auf Gewinn. In einem zweiten Schritt käme es für das Seelenheil schon darauf an, wie der erzielte Gewinn verwendet wird. Dies ist im übrigen ein Schwachpunkt, wenn man dem Islam folgen will, denn der Koran befiehlt dem Gläubigen ausdrücklich Spenden und Almosen. (Bei Aldi, wo man »stolz auf unsere türkischen Kunden ist«, ist dies alles kein Problem.) Der gläubige Katholik sollte aber, wenn er schon nicht spendet (oder obendrein in die eigene Tasche stiftet), einen größeren Teil des erwirtschafteten Ertrages »den besitzlosen Kreisen« zukommen lassen – und zwar in Form von Beteiligung am Unternehmensbesitz. Es gibt ja durchaus Firmen, die in diesem Sinne Vorbildhaftes geleistet haben. Die westfälische Weltfirma Bertelsmann etwa hat eine Mitarbeiterbeteiligung eingeführt, die auf den sozialreformerischen Gedanken des vormaligen Firmenchefs Reinhard Mohn (wir sind ihm bei den großen Stiftern begegnet) basiert – aber Mohn ist auch Protestant; das führt in ein anderes Terrain, in das der protestantischen Werteethik. Wir bleiben bei der Vorstellung, die Brüder Albrecht hätten ihr Imperium nach den Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit auf Mitarbeiterbeteiligung und Betriebsrenten aufgebaut – eine abwegige Vorstellung. Fragt sich nur, auf welchen Abwegen. Nun ist es ja nicht so, daß Wohlstand ohne Ausbeutung zu haben wäre. Das klingt womöglich angestaubt, hat aber deswegen nichts an Wahrheitsgehalt eingebüßt. Ausbeutung meint Ausbeutung von natürlichen Ressourcen, meint Dritte und Vierte Welt, die für die Erste und Zweite arbeiten. Der Vordenker Nell-Breuning hat sich hier wenig elegant, eher sehr vage aus der Verantwortung geschlichen: »Weil die Nutzung natürlicher Ressourcen des einen dem anderen entzogen werden, sollte man demjenigen, dem der Zugriff auf solche Güter oder deren Nutzen gestattet wird, ein Entgelt auferlegen, an diejenigen, zu deren Lasten oder auf deren Kosten sein Zugriff oder seine Nutzung geht.« – In der Praxis kann davon keine Rede sein; im übertragenen Sinn aufgeforstet wird nur, wenn die Katastrophe, die im Namen der Ersten Welt verursacht wurde, allzu schlimm ausgefallen ist, etwa bei Havarien von Supertankern, deren ausgelaufenes Öl – das schwarze Herzblut der Industrienationen – ganze Küstenstriche verseucht. Dann gibt es Reparationszahlungen. Solange die Umweltkatastrophe mit Gehältern abzugleichen ist, etwa im Falle Shell und seiner Zerstörung des Niger-Deltas, gibt es zwar weltweite Proteste, aber das war es dann auch. Kaum vorstellbar, daß der Irak für die Umweltschäden haftbar gemacht würde, die durch die Abfackelung der Ölquellen während des Golfkriegs verursacht wurden.
Die katholische
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