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Die Aldi-Welt

Die Aldi-Welt

Titel: Die Aldi-Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Hintermeier
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vom Saubermann hat hie und da einen leichten Kratzer, aber das ist mit etwas Politur zu beheben. Dies ist wohl eine der größten »Leistungen« des Discounters: gleichförmig sauber zu sein und unangreifbar zu werden. Dieser Monolith hat das Gesicht der Gesellschaft zunächst unmerklich, später irreparabel verändert, indem er sie dort packte, wo sie täglich hinstrebt: am Kühlschrank und in der Speisekammer. Aldi hat das Billigprinzip zur Lebensweisheit verklärt. Nun ist die Aldisierung so weit fortgeschritten, daß Aldi als integraler Bestandteil der deutschen Identität fortlebt. Aus dem kollektiven Bewußtsein ist der Discounter nicht mehr wegzudenken.
     
     
    Letzte Meldung
     
    Unter der Überschrift »Zu guter Letzt« meldet die Tageszeitung Die Welt am 4. Dezember 1997:
    »In Rielasingen am Bodensee hat ein Sonderangebot einen Polizeieinsatz ausgelöst. Weil die Discount-Kette Aldi den Verkauf von 70 Computern zum Preis von rund 1800 Markt angekündigt hatte, drängten sich schon um sieben Uhr morgens mehrere hundert Menschen vor der Filiale. Nach Geschäftsöffnung kam es zu einer Prügelei. Ein Mann verlor die Nerven, zog eine Schreckschußpistole und bedrohte einen Kunden, der bereits einen Rechner ergattert hatte. Zwölf Polizisten mit Maschinenpistolen und schußsicheren Westen umstellten den Markt und überwältigten den Mann.«

Die Welt als Aldi und Vorstellung (IV)
     
     
     
    Ich trete vor den Altar Gottes – hm? Einmal muß es sein. Das Ende ist nah, wenigstens für diese Runde. Aber die wichtigste Hürde kommt erst noch. Schließlich ist der ganze Parcours aufgebaut, damit sie dich am Ende, beim letzten Hindernis, ordentlich barren. Der Trennriegel zeigt dir deine Grenzen. Beim letzten Oxer patzt du immer, ohne es zu merken, und sie ziehen dir deine Siegesprämie aus der Tasche. Anders kommst du nie davon. Es geht immer gegen dich aus, egal, was du glaubst, wieder einmal großartig eingespart zu haben. Dieses alles bedenkend, dennoch mit einem Gefühl feierlicher Wehmut, gewürzt mit einem teuflischen Grinsen, nähert er sich der letzten Ausfahrt. Er richtet sich innerlich auf, läßt ab von der leicht gebeugten Jäger-Sammler-Haltung, heftet den Blick auf die Rückenpartie der Vorderfrau und nimmt Witterung auf. Gleichzeitig lugt er über deren Schulter vorbei auf die sich auffächernden Kunden. Eine unsichtbare Hand schiebt sie wie Playmobilfiguren auf ebenfalls unsichtbare Gleise. Douane Zoll Maut Endstation. Die Wege werden schmal, ein schwarzes Gummiband in Hüfthöhe, an dessen Ende eine Frau in hellblauem Kittel sitzt. Ihre linke Hand macht gleichförmige Schaufelbewegungen, ein nach unten gekehrtes Winken, lieblose Lockbewegungen. Laßt alle, die beladen sind, zu mir kommen. Hat aber nichts wirklich Verlockendes, denkt er. Keine verborgene sexuelle Attraktion. Eine Abtörnung: Warum wird ausgerechnet in diesem sensiblen Bereich auf Pheromon-Einsatz verzichtet. In die Tasche greifen bedeutet immer auch, etwas hervorholen zu müssen. Mann, sieh’s nüchtern: Die ist da hingesetzt worden, um abzukassieren. Was soll denn da noch groß geschehen. Du bist ja hier kein Freier, und ein Preis wird schon gar nicht verhandelt. Du bist hier der Selbstbediener. Du machst dir dein Vergnügen selbst, wenn du dazu in der Lage bist. Zu Discountpreisen. Billiger geht’s nimmer. Und wer denkt schon an Vergnügen bei Aldi? Perverse Vorstellung. Wir kaufen das ganze Zeug, von dem wir wissen, daß uns ein Drittel davon im Kühlschrank verfaulen wird, wir gehen hinein, um uns dem Kaufakt zu unterwerfen, und dann kämst du und erwartetest auch noch irgend etwas auch nur entfernt – ja was? Sexy Kassenfrauen? Schmusesound? Rotlicht? Ich bitte dich, komm zu dir. Du bist hier der kleinste gemeinsame Nenner einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechnung. Du verursachst Kosten, aber der Nutzen, den sie aus dir ziehen, ist um ein Vielfaches höher. Deswegen spielen die dieses Spiel. Dein Zuckerl ist nur, daß du glaubst, du habest eine Siegeschance. Hast du aber nicht. Der unsichtbare Saldo spricht immer gegen dich. So philosophisch heute? – Fangfrische Schnittblumen für 3,99 quetschen sich in durchsichtige Plastikmäntel, hineingezwängt in einen anonymen schwarzen Kübel, warten darauf, herausgerissen, gekauft und als Gärtnerware weitergereicht zu werden. Och, das wäre doch nicht nötig gewesen. Warum sehen diese Hollandnelken immer so aus, als kämen sie aus Holland? So wie die Hollandtomaten und die

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