Die Aldi-Welt
Art Heilsbringer inmitten einer taumelnden Kater-Ära. Die Lust an der Sparsamkeit in einem Land, das Kaufrausch durch permanenten Schlußverkauf zu stimulieren sucht, hat etwas gartenzwergig Verlogenes – weil sie oft von jenen praktiziert wird, die eigentlich nicht müßten. Wie sagte schon der Kabarettist Gerhard Polt in den frühen Achtzigern, ziemlich prophetisch: »I fahr’ jetzt an 280er – des is ja fui rationaler…« Bis sich diese Einsicht durchsetzte, mußte ja erst noch der Dinosaurier der S-Klasse geboren werden, um dann in seiner retardierten Schrumpfform als A-Klasse neu geboren zu werden. Kugeleier wie der Ford Ka demonstrierten dann mit einem Mal wieder Small-is-beautiful, und nach dem Shopping, wenn man mit seiner Elch-Klasse heil nach Hause gekommen ist, kann man ja dort für die Landpartie schnell auf einen Roadster umsteigen. BMW Z 3, SLK, Porsche Boxster: Diese bescheidenen Fahrzeuge, die sich darauf beschränken, zwei Passagiere, ein Schminkköfferchen und einen Pilotenkoffer befördern zu wollen, sind blechgewordener Ausdruck der neuen Sparwelle.
Halbamtliche Umfragen bestätigen den neuen deutschen Drang zum Konsumverzicht mit eindrucksvollen Zahlen. Nach einer Umfrage, die die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte, wurden allein im Jahresvergleich 1995/1996 knapp zehn Prozent weniger für Gaststättenbesuche, Getränke, Tabak und Kleidung ausgegeben – während im gleichen Zeitraum die Ausgaben für das Auto um 9,8 Prozent stiegen. 38000 Mark gibt der durchschnittliche Westdeutsche für ein neues Auto aus, 8000 Mark weniger der Ostdeutsche. Nun ist es ja nicht unbedingt so, daß man den Deutschen unterstellen müsse, sie würden für ihr Autoputzilein in die Fastenkur gehen. Aber die Entwicklung ist wohl bezeichnend für ein Phänomen, das der Soziologe Heinz Bude, ein Experte für das scheue Wesen der Generation, als »Statuspanik« bezeichnet hat; eine Angst, die ursächlich mit dem lebensweltlichen Aroma der neunziger Jahre zusammenhängt. Bude schreibt im Vorwort der Essaysammlung Deutschland spricht: »›Erlebnis‹, ›Lebensstil‹ und ›Risiko‹ definieren nicht mehr die Jetztzeit. Wer heute noch auf Erlebnissteigerung, Lebensstilverfeinerung und Risikotoleranz setzt, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Man ist nüchterner, bescheidener, aber auch ängstlicher geworden. Das hängt mit einer weitverbreiteten latenten Statuspanik zusammen. Was sich schon Ende der achtziger Jahre (…) andeutete, wird seit 1989 immer handgreiflicher: Der Komplex aus Wohlstand und Harmonie, wodurch sich das in der Nachkriegszeit gewachsene ›Modell Deutschland‹ auszeichnete, zerfällt.«
Um die Statuspanik abzufedern, ist ein Roadster natürlich eine gute Sache. Auch Gaststättenbesuche, die nach der Regel Wer-länger-mit-einem-Glas-Mineralwasser-auskommt ablaufen, sollen sich häufen. Oper, Theater, Konzerte, Kino werden eingespart, sogar an die Unterwäsche gehen die Damen sich selber. Nur noch 25 Mark haben deutsche Frauen im Jahr 1996 durchschnittlich für Dessous ausgegeben. Wenn das so weitergeht, sind wir bald auf österreichischem Standard, wo männliche Unterhosen bloß zweimal die Woche gewechselt werden. Fein sein, beieinander blei’m.
Glaube versetzt Geldberge
Im Sklavenstaat römischen Zuschnitts war für die wohlhabenden Bürger Arbeit die Ausnahme. Das Wort für Arbeit, »negotium« bedeutet denn auch sinnigerweise »Nicht-Muße«. Das Nicht-Arbeiten als Normalzustand erlaubte eine Reihe von Hobbys, notabene gelehrte Gespräche, politische Intrigen, Zirkusbesuche oder Feldzüge an den Rand der zivilisierten Welt. Erst das Christentum brachte eine andere Auffassung von Arbeit mit sich. Der gute Christ schuftet erstens, weil Arbeit einen moralischen Wert darstellt, der Gott gefällt, und zweitens, weil er durch die Vertreibung aus dem Paradies dazu verpflichtet ist. Daher die Direktive »im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen«, die Gott ausgegeben hat; daher die verschärfte Version, die der Apostel Paulus unter das Volk brachte: »So jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen.« Mit eingeschlossen in diese Anweisung zum rechten Glauben war der Hinweis, daß Arbeit nicht automatisch Bereicherung bedeutet. Es ist deshalb an dieser Stelle ein Ausflug in Gefilde angebracht, die vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so naheliegend erscheinen mögen. Aber es gibt im Leben der Brüder Albrecht – jenseits aller weltlichen
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