Die Alptraum-Frau
hatten so manche Tür auf diese Art und Weise aufgerammt. Bei dieser hier würden wir Schwierigkeiten bekommen. Sie sah verdammt stabil aus. Trotzdem war es die einzige Möglichkeit, sie so schnell wie möglich zu öffnen.
Vorpreschen, rammen! Es war alles eine fließende Bewegung, und wir prallten zugleich gegen das Holz. Da unsere Schultern nicht aus Holz bestanden, bekamen wir die Schmerzen beim Aufprall voll mit.
Die Tür zitterte zwar, aber sie brach nicht.
Der neue Anlauf. Unser Antrieb waren dabei die Schreie, die nicht aufgehört hatten. Claudia Burns musste sich in Lebensgefahr befinden, anders waren ihre Schreie nicht zu erklären.
Auch beim zweiten Versuch hatten wir Pech. Mein Gott, im Film geht das immer so leicht. Zudem hörten wir die keifende Stimme und das Bellen des Hundes von unten. Die Mitbewohnerin war doch verdammt neugierig.
Der dritte Versuch. Diesmal klappte es. Zwar fiel die Tür nicht schlagartig nach innen und wir auf sie, aber wir brauchten nur wenige Tritte, um uns den Weg freizukämpfen.
Die Schreie zitterten durch die Wohnung, in deren Flur wir hineinstolperten. Er war hell eingerichtet und gehörte zu einer relativ großen Wohnung mit mehreren Türen.
Wir hatten beide unsere Waffen gezogen, schauten uns um, weil niemand so recht wusste, aus welchem Zimmer der Schrei drang.
Ich lief nach vorn und stieß die nächstbeste Tür auf. Eine leere Küche, nicht mehr.
»John! Hier!«
Ich flog herum. Suko war schon weitergegangen. Er hatte eine Tür aufgestoßen. Ich schaute auf seinen Rücken und sah ihn mit gezückter Waffe stehen und in das Zimmer hineinzielen.
Er schoss nicht, obwohl der Schrei blieb. Er kam mir wie versteinert vor. Oder wie jemand, der vor Überraschung einfach nur starr geworden war. Es dauerte nicht einmal zwei Sekunden, da war ich bei ihm.
»Sieh nach links!«
Ich drehte den Kopf. Meine Nackenhaare sträubten sich, denn was ich da zu sehen bekam, ging über meinen Verstand. Hatte Kara nicht von einem Wesen gesprochen, das andere Menschen schluckte oder fraß und trotzdem kein Kannibale war?
Ja, das war die Theorie gewesen. Die Praxis aber erlebten wir mit eigenen Augen. Und sie war unbeschreiblich grausam…
***
»Willst du mir da die Jeans kaufen, Mum?«
»Das hatte ich eigentlich vor.«
Benny zog einen Flunsch. »Ich mag den Laden nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil die anderen Mütter immer woanders kaufen. Das weiß ich von meinen Klassenfreunden.«
Janine Calderon verdrehte die Augen. »Wo denn?«
»Im Jeans Corner.«
Sie sagte nichts, schnaufte nur. Ja, sie kannte den Jeans Corner. Ein teurer Laden. Dort verkaufte man nur die Labels, die gerade in waren, und sie kosteten oftmals das Doppelte einer normalen Jeans. Aber die Kids schauten darauf. Es war leider der Lauf der Zeit, gegen den sich auch Janine nicht stemmen konnte und es jetzt auch nicht wollte, denn ihr Sohn sollte zufrieden sein.
»Und?«
»Wir gehen hin!«
Benny sprang in die Luft. »Stark!« rief er. »Echt super. Das wird ein Schuss.«
Auch mit dieser Terminologie fand sich die Frau nicht zurecht, aber sie unterließ einen Protest. Viele Kids sprachen so. Als Ausnahme wurde man leicht zum Außenseiter. So etwas konnte nur jemand mit einem sehr gesunden Selbstbewusstsein durchhalten.
Sie hätte die U-Bahn nehmen können, aber sie gingen zu Fuß. In die ›Stadt‹ waren sie nicht gefahren. Auch in Paddington gab es genügend Läden, in denen man fündig wurde. Janine fiel auch ein, dass Benny noch Schuhe brauchte, und sie sprach ihn darauf an.
»Super. Welche willst du mir denn kaufen?«
Sie gab ihm einen Klaps. »Gegenfrage, Kleiner. Welche würden dir denn gefallen?«
»Turnschuhe. Die ›Walker‹.«
»Aha. Und was ist so besonderes an diesen Tretern?«
»Die haben eine Luftfederung. So Polster, weißt du?«
»Nein, das weiß ich nicht, aber wenn du das sagst, wird es schon stimmen. Was zuerst? Die Schuhe oder die Hose?«
»Die Jeans. Die kann ich dann gleich anlassen und sehen, wie die Schuhe dazu aussehen.«
»Kannst du alles machen.«
Bei diesem Wetter waren die Geschäftsstraßen in Paddington längst nicht so belebt. Auch in den Geschäften war nicht viel los. Viele Besitzer boten Sonderangebote an, aber Benny hatte dafür keinen Blick, auch wenn es sich um Jeans handelte. Es fehlte eben das entsprechende Label.
Der Jeans Corner war ein Laden, der tatsächlich auf einer Ecke lag.
Auch der Name verteilte sich auf zwei Seiten. Man hatte die Reklame
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