Die Alptraum-Frau
Gesichter wehte.
Wir standen sehr bald vor einer verglasten Haustür, die allerdings geschlossen war. Suko suchte bereits das Klingelbrett ab, um zu erkunden, wo er schellen musste. Es gab eine Gegensprechanlage, und so konnte sich der Besucher anmelden.
Wir hatten Claudia Burns zuvor angerufen. Sie hatte uns erklärt, dass sie zu Hause war. Ihr Dienst begann erst am Abend. Da musste sie auf einer Frühjahrsmodenschau Klamotten präsentieren und über den Laufsteg eines Kaufhauses spazieren. Irgendwie hatte sie sich auch froh angehört, als sie vernahm, wer sie da besuchen wollte, das aber würden wir bald genauer herausfinden.
Suko schellte. Wir warteten auf eine Reaktion. Unsere Gesichter wurden lang und länger, als wir nichts hörten. Kein Summen, keine Stimme aus dem Lautsprecher, es blieb still.
»Hat sie uns nicht erwartet?« fragte Suko.
»Ich denke schon.«
»Warum öffnet sie dann nicht?«
Die Frage war nicht ohne Hintersinn gestellt worden, und ich hatte auch den beunruhigten Tonfall aus ihr herausgehört.
Bevor wir etwas unternehmen konnten, meldete sich mein Handy. Ich war nicht eben begeistert darüber, und das hörte Sir James meiner Stimme auch an. »Auch wenn ich jetzt stören sollte, ich muss Ihnen noch etwas mitteilen, John.«
»Bitte.«
»Auf dieser Liste ist doch der Name Calderon vermerkt.«
»Ja, Sir. Benny und Janine Calderon.«
»Genau. Ich habe mich noch einmal mit den Protokollen beschäftigt und sie in Ruhe durchgelesen. Gerade bei Calderon ist mir etwas aufgefallen. Als man ihn holen wollte, da fand man ihn in seinem Büro nicht vor. Dafür einen Revolver, der auf dem Boden lag und aus dem nicht geschossen worden ist.«
»Was schließen Sie daraus, Sir?«
»Ganz einfach. Sie haben mir doch von dieser Urania berichtet. Ich gehe mal davon aus, dass alles stimmt. Ist sie nicht diejenige gewesen, die Menschen von einem Selbstmord abhalten wollte?«
»Das erzählte Kara - stimmt.«
»Und diese Waffe könnte darauf hindeuten, dass Ross Calderon versucht hat, sich zu töten. Ist nur eine Vermutung und braucht nicht zu stimmen. Ich wollte Ihnen nur den Namen ans Herz legen, falls sie Janine Calderon noch nicht besucht haben.«
»Nein, Sir, wir stehen vor der Haustür einer gewissen Claudia Burns, die erste Person auf der Liste.«
»Dann viel Glück.«
Suko hatte mitgehört. »Was hältst du von Sir James' Vermutung?« fragte er.
Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung, ob das wirklich etwas bringt. Ist aber möglich.« Ich lächelte. »Wir scheinen Sir James schon beeindruckt oder beunruhigt zu haben, dass er sofort eine Verbindung zwischen dem Auffinden der Waffe und dem Erscheinen dieser Alptraum-Frau zieht. Dann scheint sie sich in London wohl etabliert zu haben.«
»Das möchte ich nicht hoffen.«
Da wir noch immer vor der geschlossenen Haustür standen, probierte ich es woanders. Ich klingelte eine Wohnung in Parterre an, und es wurde uns geöffnet, ohne dass jemand eine Frage gestellt hätte. Im Flur kam uns eine ältere Frau entgegen. Sie hielt einen Hund an der Leine, der heftig bellte.
»Ja, was wollen Sie?«
»Wir möchten zu Claudia Burns.«
»Sie ist da.«
»Aber sie öffnet nicht.«
»Dann weiß ich es auch nicht.« Die Frau beäugte uns misstrauisch.
»Wer sind Sie überhaupt? Was wollen Sie von ihr? Vertrauenerweckend sehen Sie nicht gerade aus. Mein Hund mag Sie auch nicht. Hören Sie, wie er Sie anknurrt?«
Das war nicht gerade ein Kompliment für uns. Ich beschloss, etwas für unser Image zu tun und zückte deshalb meinen Ausweis.
»Polizei, auch das noch. Was hat sie denn getan?«
»Nichts. Wir brauchen nur ihre Zeugenaussage.«
Die Frau wirkte erleichtert. »Dann ist es gut. Ich möchte nämlich nicht mit irgendwelchen Verbrecherinnen unter einem Dach leben. Das kann keiner von mir verlangen.« Sie redete noch weiter, erreichte aber nur unsere Rücken, denn wir waren bereits auf dem Weg zur Treppe, da wir in die zweite Etage mussten.
Der Flur war hell. Es fiel auch Licht durch lange Fenster an der Außenseite, doch auf dieses Grau konnte man gut und gerne verzichten.
Auf jeder Etage wohnten zwei Parteien. Der Name Claudia Burns prangte auf der Türmitte. Rote Buchstaben auf einem hellen Schild.
»Lohnt es sich zu klingeln?« fragte Suko.
Die Entscheidung wurde uns abgenommen, denn aus der Wohnung hörten wir einen verzweifelten Schrei…
Zurückgehen. Anlauf nehmen. Dann gegen die Tür wuchten. Suko und ich waren ein eingespieltes Team und
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