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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Gelächter ausbrachen. Sie fragte zum Beispiel, was die Regierung mit den Steuern mache, die sie schon seit so langer Zeit empfinge; warum die Bibel nicht zur Zeit Jesu Christi gedruckt worden sei, da sie doch von Moses stamme. Ihre Intelligenz war die gleiche wie die jenes ›country gentleman‹, der, als er im Unterhaus immer von der Posterität sprechen hörte, aufstand, um den berühmt gewordenen ›Speech‹ zu halten: »Messieurs, ich höre hier immer von der Posterität sprechen, ich möchte gern wissen, was diese Macht für England getan hat?«
    Bei solchen Gelegenheiten kam der heroische Chevalier de Valois, wenn er das Lächeln sah, das unbarmherzige Halbwisser austauschten, dem alten Mädchen mit allen Kräften seiner geistreichen Diplomatie zu Hilfe. Der alte Edelmann, der die Frauen zu bereichern liebte, verlieh Mademoiselle Cormon Geist, indem er der Äußerung eine paradoxe Wendung gab und deckte den Rückzug so geschickt, daß es den Anschein hatte, als habe Mademoiselle etwas Kluges gesagt. Einmal gestand sie ganz ernsthaft, daß sie nicht wisse, welcher Unterschied zwischen einem Ochsen und einem Stier sei. Der entzückende Chevalier tat dem Gelächter Einhalt, indem er erwiderte, daß der Ochse immer nur der Onkel einer Färse sein könne. Ein andermal, da sie viel von jungen Pferden und den Schwierigkeiten dieses Handels sprechen hörte, ein oft erneuerter Gesprächsstoff in einem Lande, wo das prachtvolle Gestüt Le Pin zu Hause ist, begriff sie, daß die Pferde vom ›Belegen‹ kommen, und fragte, warum das ›Belegen‹ nicht zweimal im Jahre stattfände. Der Chevalier zog das Gelächter auf sich. »Das wäre leicht möglich«, sagte er. Die Anwesenden horchten auf. »Der Fehler ist der«, erklärte er, »daß die Züchter noch nicht dahintergekommen sind, auf welche Art man die Stuten zwingt, kürzer als elf Monate zu tragen.«
    Die Gute wußte ebensowenig, was ›Belegen‹ ist, als sie einen Ochsen von einem Stier unterscheiden konnte. Der Chevalier de Valois diente einer Undankbaren, denn Mademoiselle Cormon hatte von keinem seiner ritterlichen Dienste eine Ahnung. Wenn die Unterhaltung wieder in Fluß gekommen war, glaubte sie zu bemerken, daß sie nicht so dumm war, als sie zu sein glaubte. Schließlich, eines Tages, fühlte sie sich in ihrer Dummheit so heimisch wie der Duc de Brancas; denn der Held des ›Zerstreuten‹ machte es sich in dem Graben, in den er hineingeworfen worden war, so bequem, daß, als man ihn herauszuholen kam, er fragte, was man von ihm wolle. Seit diesem Zeitpunkt, der der jüngsten Vergangenheit angehört, verlor Mademoiselle Cormon alle Furcht, sie bekam eine Sicherheit, die ihren ›Schnitzern‹ etwas von der Feierlichkeit verlieh, mit der die Engländer ihre patriotischen Albernheiten begehen und die gewissermaßen der Dünkel der Dummheit ist. Während sie nun majestätischen Schrittes auf ihren Onkel zuging, überlegte sie, welche Frage sie an ihn stellen könnte, um ihn der Schweigsamkeit zu entreißen, die ihr immer schmerzlich war, denn sie glaubte, er langweile sich.
    »Lieber Onkel«, sagte sie, hing sich an seinen Arm und schmiegte sich fröhlich an seine Seite – dies war auch eine ihrer Annahmen, sie dachte: ›Wenn ich einen Mann hätte, würde ich so sein!‹ –, »Onkel, wenn alles hienieden durch Gottes Willen geschieht, gibt es also für alles einen Grund?«
    »Sicherlich!« gab ihr der Abbé de Sponde ernsthaft zur Antwort. Da er seine Nichte sehr liebhatte, ließ er sich von ihr immer mit einer himmlischen Geduld aus seinen Betrachtungen reißen.
    »Also, wenn ich Mädchen bleibe, nehmen wir einmal an, so will dies Gott?«
    »Ja, mein Kind«, sagte der Abbé.
    »Jedoch, da nichts mich hindert, morgen zu heiraten, so kann sein Wille durch meinen vernichtet werden?«
    »Das wäre so, würden wir den wahren Willen Gottes kennen«, erwiderte der ehemalige Prior der Sorbonne. »Beachte, meine Tochter, du sagst: ›wenn‹.«
    Das arme Mädchen, welches gehofft hatte, ihren Onkel durch einen Beweisgrund ad omnipotentem in ein Gespräch über die Ehe hineinzuziehen, war ganz verdutzt; aber die Frauen von schwachem Verstand befolgen die schreckliche Logik der Kinder, die darin besteht, von der Antwort zur Frage zu gehen, eine Logik, die oft in Verlegenheit bringt.
    »Aber, lieber Onkel, Gott hat die Frauen doch nicht dazu gemacht, daß sie Mädchen bleiben, da müßten sie entweder alle Mädchen sein oder alle Frauen. Es liegt eine

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