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Die alte Jungfer (German Edition)

Die alte Jungfer (German Edition)

Titel: Die alte Jungfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Ungerechtigkeit in der Verteilung der Rollen.«
    »Meine Tochter, du gibst der Kirche unrecht, die die Ehelosigkeit als den besten Weg, zu Gott zu gelangen, vorschreibt.«
    »Aber wenn die Kirche recht hat und jedermann ein guter Katholik wäre, würde das Menschengeschlecht doch aufhören, Onkel?«
    »Du bist zu klug, Rose, man muß nicht so klug sein, um glücklich zu sein.«
    Ein solches Wort brachte ein Lächeln der Befriedigung auf die Lippen des armen Mädchens und bestärkte sie in der guten Meinung, die sie von sich zu haben anfing. So tragen die Leute, unsere Freunde und unsere Feinde, die Mitschuld an unsern Fehlern! In diesem Augenblick wurde die Unterhaltung durch das allmähliche Erscheinen der Gäste unterbrochen. An solchen Galatagen kam es immer zu kleinen Vertraulichkeiten zwischen dem Dienstpersonal und den eingeladenen Personen. Mariette sagte zu dem Gerichtspräsidenten, der ein ausnehmend guter Kostgänger war, als sie ihn vorübergehen sah; »Ah, Monsieur du Renceret, ich habe den Blumenkohl ›au gratin‹ eigens für Sie gemacht, denn Mademoiselle weiß, wie gern Sie ihn essen, und hat zu mir gesagt: ›Mache ihn ja gut, Mariette, Monsieur le President kommt!‹«
    »Die gute Mademoiselle Cormon!« erwiderte der Gerichtsherr des Landes; »Mariette, haben Sie ihn auch mit Sauce anstatt mit Bouillon begossen? Das macht ihn saftiger!« Der Präsident verschmähte nicht, in das Beratungszimmer einzutreten, wo Mariette ihre Urteile fällte, dort begutachtete er alles mit dem Blick des Gastronomen und äußerte seine Meinung als Kenner.
    »Guten Tag, Madame Granson«, sagte Jacquelin, der Madame Granson den Hof machte, »Mademoiselle hat an Sie gedacht, es gibt ein Fischgericht für Sie!« Was den Chevalier de Valois angeht, so sagte er mit dem ungezwungenen Ton eines Grandseigneurs, der sich herabläßt, zu Mariette: »Nun, teure Meisterköchin, der ich das Kreuz der Ehrenlegion erteilen werde, gibt es irgendeinen feinen Bissen, für den man sich den Appetit aufsparen muß?«
    »Jawohl. Monsieur de Valois, einen Hasen aus Le Prébaudet, er wog vierzehn Pfund.«
    »Braves Mädchen!« versetzte der Chevalier und gab ihr einen Klaps auf die Wange; »ah, er wiegt vierzehn Pfund!«
    Du Bousquier war nicht eingeladen. Mademoiselle Cormon blieb dem System, das man kennt, treu und behandelte diesen Fünfzigjährigen, für den sie unerklärliche, in den tiefsten Falten ihres Herzens verborgene Gefühle hegte, schlecht. Obwohl sie ihn abgewiesen hatte, tat es ihr manchmal leid; sie fühlte so etwas wie eine Ahnung, daß sie ihn heiraten würde, und zugleich ein Entsetzen, das sie hinderte, diese Heirat zu wünschen. Ihre von ihren Vorstellungen erregte Einbildungskraft beschäftigte sich mit Du Bousquier. Ohne daß sie es sich eingestanden hätte, machten die herkulischen Formen des Republikaners starken Eindruck auf sie. Madame Granson und der Chevalier de Valois, die sich die Widersprüche Mademoiselle Cormons nicht erklären konnten, hatten verstohlene naive Blicke erhascht, deren Bedeutung so klar war, daß es alle beide für nötig erachteten, die schon einmal gescheiterten, aber sicherlich noch beibehaltenen Hoffnungen des Lieferanten zu zerstören. Zwei Gäste, die durch ihr Amt von vornherein entschuldigt waren, ließen auf sich warten; der eine war Monsieur Coudrai, der Vorsteher des Hypothekenamts; der andere, Monsieur Chesnel, der frühere Intendant des Hauses d'Esgrignon, der Notar der hohen Aristokratie, die ihn mit der Achtung behandelte, wie es seine Tugenden verdienten; er war außerdem Besitzer eines ansehnlichen Vermögens. Als diese beiden verspäteten Gäste anlangten, rief Jacquelin, der sie in den Salon gehen sah: »Sie sind alle im Garten!«
    Ohne Zweifel waren die Mägen schon sehr ungeduldig, denn beim Anblick des Vorstehers des Hypothekenamts, eines der liebenswürdigsten Männer der Stadt, der nur den Fehler hatte, ihres Vermögens wegen eine unausstehliche alte Person geheiratet zu haben und Witze zu machen, über die er immer zuerst lachte, erhob sich das beifällige Gemurmel, mit dem die zuletzt Gekommenen in solchen Fällen stets empfangen werden. Während man die offizielle Meldung, daß angerichtet sei, erwartete, wandelte die Gesellschaft auf der Terrasse längs der Brillante und betrachtete die Wasserpflanzen, das Mosaik des Flußbetts, die hübschen Einzelheiten der auf dem andern Ufer zusammengedrängten Häuser, die alten Holzgalerien, die eingefallenen Fensterlehnen,

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