Die alte Villa (German Edition)
auch weniger Notiz von ihr, wenn sie sich nur unauffällig genug verhielt, was ihr leider nicht immer gelang.
21 . Mai 1979
An diesem Montagmorgen, der mit Physik begann, war sie tatsächlich sehr müde, da sie sich gestern Abend gemeinsam mit Olga unbedingt noch den Dracula-Film im Fernsehen ansehen mussten. ‚ Der Tanz der Vampire’…
Sie hatte ihren Kopf auf beide Hände gestützt, schaute scheinbar gelangweilt zur Tafel und weilte in Wahrheit weit weg vom eigentlichen Unterrichtsgeschehen.
Offenbar träumte sie mit offenen Augen. Wie ließe sich sonst erklären, dass die Tafel samt Lehrer vor ihren Augen wie hinter einem Nebel verschwamm.
Kleine zuckende Flammen züngelten hinter der Schultafel hervor. Außer ihr schien das noch niemand sonst in der Klasse bemerkt zu haben..
Lodernd berührten sie nun schon gierig das Lehrerpult. Und drohten bald darauf, die Schüler in der ersten Reihe zu erfassen.
Heißer Qualm erfüllte den Klassenraum und hinderte alle am Atmen.
Der Scheiterhaufen…!
Diesmal sah sie noch etwas anderes: Augen, die sie anstarrten!
Glühende und dennoch eiskalte Augen, die vom Feuerschein erleuchtet waren und sie fixierten, wie die eines hungrigen Raubtieres, das vorhatte, sich jeden Augenblick auf sie zu stürzen. Die Flammen und der heiße Qualm wurden zur Nebensache.
Nur noch die Augen starrten und starrten....
„Fräulein Stein!“
Eine schneidende Stimme riss sie abrupt aus ihren Träumen. Sie kam von den Augen, die sie immer noch anstarrten und nur langsam begriff sie, wem diese Augen gehörten.
Sie muss wohl ganz verstört ausgesehen haben und Herr Kelbel nutzte diese Gelegenheit in seiner ihm eigenen Boshaftigkeit aus:
„Das Schuljahr ist nun fast zuende, Fräulein Stein, und Sie haben bisher noch nichts Positives zum Unterricht beigetragen. Ich weiß nun wirklich nicht, welche Note ich Ihnen geben soll, wo einfach nichts, aber auch wirklich gar nichts Gescheites aus Ihrem Munde gekommen ist!“
„Aber ich....“
„Sparen Sie sich Ihre Ausreden. Das zieht bei mir nicht.“
Rebecca spürte, wie sich eine große Wut in ihr breit machte und sie wusste, wenn sich diese einen Weg nach außen bahnen würde, wäre sogar Herr Kelbel nicht vor ihr sicher.
Gerade noch rechtzeitig stieß Hannelore sie mit dem Ellbogen in die Seite und sie hatte sich schlagartig wieder unter Kontrolle.
Nach der Stunde fragte Hannelore, ob sie zusammen für Physik ‚büffeln’ sollten.
„Ach, das ist doch zwecklos. Ich kann lernen, soviel ich will. Für den Typ bin ich einfach Luft. Ich hab’ Physik schon abgehakt. - Ist dann Gott sei Dank meine einzige ‚5’. Tut also nicht so viel zur Sache.“
„Na, aber wir können uns doch trotzdem treffen heute Nachmittag.“ Hannelore zwinkerte sie herausfordernd an.
„Ja, okay.“ erwiderte Rebecca lächelnd.
Die Mädchen besuchten schon seit der 5. Klasse gemeinsam das Gymnasiums einer verträumten Kleinstadt des ‚Bergischen Landes’, welches sich östlich der Stadt Köln ausdehnte und dort auch die Städte Siegburg, Solingen, Gummersbach, Remscheid und Wuppertal mit einbezog.
Zwar gab es hier auch einige sanfte Hügel und jede Menge Täler, doch erhielt diese Gegend ihren Namen nicht auf Grund von geologischen Erscheinungsformen, sondern bezog sich namentlich auf die ‚Grafen von Berg’, die hier im Jahre 1101 mit Adolf von Berg ihre Grafschaft begründeten und ihren Einfluss später in großem Umfang ausdehnen konnten. Hoch über der Wupper gelegen zeugt noch heute das gut erhaltene ‚Schloss Burg’ von der ehemaligen Macht des ‚Berg’schen’ Geschlechts.
Diese Dinge erfuhr hier jedes ‚bergische’ Schulkind im Sachkunde- oder Geschichtsunterricht.
Rebecca lebte schon seit ihrer Geburt in der kleinen Stadt. Genau wie ihre Mutter. Auch sie war schon hier im selben Ort geboren worden.
~
Hannelore kam pünktlich um 15 Uhr und brachte , entgegen aller Absprachen, ihre Schulsachen mit.
Rebecca kam es manchmal wie ein Wunder vor, dass gerade die beliebteste Schülerin der ganzen Klasse mit ihr befreundet war.
Hannelore war einfach fantastisch! Immer gut gelaunt und ständig einen frechen Spruch auf den Lippen. Ihre dunkelblonden Haare trug sie ganz kurz und das war auch wirklich die einzige Frisur, die man sich bei ihr vorstellen konnte.
„Wir können in mein Zimmer gehen“, sagte Rebecca und ging voraus.
„Wo ist denn Olga?“, fragte Hannelore neugierig.
„Die ist Gott sei Dank nicht da.
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