Die Amazonen von Darkover
Selbstsicherheit. Der Sitte entsprechend hatte sie als Comyn-Angehörige einen Leibwächter mitgebracht, einen großen, uniformierten Mann im Grün und Schwarz der Stadtgarde, und eine Begleiterin, doch beide waren unwichtig.
»Ich bin Rohana Ardais«, sagte sie. »Mein Mann ist Gabriel Dyan, der Gouverneur von Ardais. Du sprichst unsere Sprache sehr gut, mein Kind. Darf ich fragen, wo du sie gelernt hast?«
»Ich habe meine Kindheit in Caer Donn verbracht, Lady Rohana. Dort kamen die Terraner mehr mit der Bevölkerung zusammen als hier, und alle meine Spielgefährten waren Darkovanerkinder.«
»Ah, deshalb sprichst du den Hellers-Akzent.« Magda musterte die Dame mit geschulten Augen. Sie sah eine kleine, zarte Frau, die nicht annähernd so groß war wie sie selbst. Ihr Gesicht verriet ihr Alter nicht, doch sehr jung konnte sie nicht mehr sein. Das schwere, etwas melierte, kastanienfarbene Haar war tief im Nacken zu einem Knoten geschlungen und wurde dort festgehalten mit einer kostbaren Schmetterlingsspange aus Kupfer mit grünen Edelsteinen. Sie trug ein sehr schönes, warmes Kleid aus grüner Wolle mit reichen Stickereien. Ihre Haltung war voll großer Würde, doch ihre Hände zeigten Nervosität.
»Ich kam gegen den Wunsch meiner Verwandten, um die Terraner um einen Dienst zu bitten. Vielleicht ist es töricht und eine durch nichts gerechtfertigte Hoffnung ... Es geht um meinen Sohn. Er ist verschwunden. Wir fürchten eine faule Sache. Dann hat einer der Arbeiter – du weißt sicher, daß wir Leute bezahlen, die uns über das auf dem laufenden halten, was hier geschieht – uns berichtet, er habe hier meinen Sohn gesehen. Er arbeite hier. Das war schon vor einigen Monaten. Wir meinen aber, auch ein Gerücht ist es wert, ihm nachzugehen.«
Nach einer kurzen Rücksprache mit dem Koordinator antwortete Magda ziemlich bestürzt: »Es ist wahr, daß wir hier Darkovaner beschäftigen. Aber Euer Sohn, Lady? Wenn hier Darkovaner arbeiten, dann doch als Zimmerleute, Maurer, Maschinenwarte und dergleichen.«
»Unser Sohn ist jung und abenteuerlustig, wie alle seines Alters. Für ihn ist es sicher ein Abenteuer, mit Menschen von einer anderen Welt zu tun zu haben, und dafür würde er auch die niedrigste Arbeit verrichten. Der Mann, der uns berichtete, kennt meinen Sohn.« Sie reichte Montray ein in Seide gewickeltes Päckchen, das er aufwickelte. Er schaute dabei Magda an.
»Es ist ein Bild meines Sohnes. Vielleicht könntest du, mein Kind, jene Leute fragen, die für die hier arbeitenden Darkovaner verantwortlich sind, wann er hier zuletzt beschäftigt war.«
Montray reichte die Miniatur Magda. »Schau dir das mal an«, sagte er, und sie hatte vor sich ein Bild von Peter Haldane.
»Ich sehe, daß ihr beide das Gesicht meines Sohnes erkennt«, stellte Lady Rohana fest.
Das ist nicht möglich, war Magdas erster Gedanke. Oder nur eine zufällige Ähnlichkeit ...
Montray ließ sich von der Personalabteilung ein Solido und Fotos von Peter Haldane kommen und bat Magda, der Dame ihre Erklärung zu geben.
»Zufällige Ähnlichkeit? Unmöglich, mein Kind. Er wurde an seiner Haarfarbe erkannt, die für Comyn oder aus Comyn-Blut stammende Darkovaner typisch ist.«
»Lady Rohana, bei den Terranern ist sie nicht gar zu selten. Wir leiten davon keinen Anspruch auf besonderen Adel ab, denn sie ist nur ein bestimmtes rassisches Merkmal, das immer dann auftreten kann, wenn ein Elternteil rothaarig ist oder die Anlage dazu hat.« Gleichzeitig reichte sie Lady Rohana das kleine Solido und die Personalakte mit dem Foto von Peter Haldane.
Lady Rohana studierte das Foto eine ganze Weile und wurde sehr blaß. »Das verstehe ich nicht. Bist du ganz sicher, daß er nicht einer der Unsrigen ist, der euch unter einer Maske irreführte?«
»Sehr sicher, Lady Rohana. Ich kenne Peter Haldane seit meiner Kindheit.«
»Wie ist es nur möglich, daß ein Terraner so aussieht wie einer von uns ... Trüge dieser Mann Darkovaner-Kleidung, würde er jeden täuschen. Und dein Mann wird auch vermißt?« Erst Stunden später wurde sich Magda darüber klar, daß sie das der Dame mit keinem Wort verraten hatte. »Merkwürdig. Nun, da muß ich wohl anderswo nach meinem Sohn forschen.«
Sie verabschiedete sich von Montray und wandte sich dann ausschließlich an Magda. »Ich bin überzeugt, ich habe das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gehört«, sagte sie. »Aber ich danke dir für deine Liebenswürdigkeit. Vielleicht kommt einmal der Tag,
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