Die Amerikanerin
halbherzig genießen konnte.
Edelsteine?
Edelsteine konnte man fassen. Das bedeutete …
Am nächsten Morgen hatte Marie sich von Franco einen Lötkolben besorgen lassen, dazu Bleidraht. Ihre Idee war einfach: Sie wollte die Glasscheiben mit einer Zange in die gewünschten Formen brechen, die einzelnen Stücke mit einem Bleirand einfassen und diese bleigeränderten Teile dann miteinander verlöten. Am Ende erhoffte sie sich eine Art Glasmosaik, und ihr Hoffen ging in Erfüllung: Als das erste Bild – zwei rote Herzen auf blauem Grund, den am Rand eine hellere Bordüre zierte – fertig war, hatte sie hellauf gelacht. Wie wundervoll! Wie bunt! Wie … intensiv! Warum war sie nicht schon viel früher auf diese Idee gekommen? Wahrscheinlich lag es daran, dass die Lauschaer keine großen Kirchgänger waren, sonst wäre ihr sicher schon einmal aufgefallen, dass die Kirchen- und Kathedralenbauer von jeher sehr bewusst farbige Glasfenster einsetzten, um den Gläubigen die biblischen Szenen so effektvoll wie möglich vor Augen zu führen. Aber dass man nicht nur die Mutter Gottes und das Jesuskind in Glas bannen konnte, sondern jedes x-beliebige Motiv – das war ihre ureigene Idee!
Franco war sprachlos gewesen, als sie ihm am Abend ihr Werk gezeigt hatte. »Das soll ein erster Versuch sein? Perfektion ist das, nicht weniger! Flammende Herzen – mia cara, du hast die Liebe in deinem Bild verewigt! Es ist wunderschön. Aber du bist noch viel schöner«, hatte er hinzugefügt.
Ohne weitere Übung hatte sich Marie gleich am nächsten Tag an ihre Serie der vier Elemente gemacht.
Als sie das Feuerbild gegen Mittag aus der Hand legte, kribbelten ihre Fingerspitzen vor Aufregung. Sie wollte weitermachen. Sie hatte so viele Ideen! Ruths Schmuckstücke von Lalique und Gallé, die Libellen, Schmetterlinge und Lilienblüten – ließen sich solche Motive nicht wunderbar mit ihrer neuen Technik festhalten?
Sie hatte schon eine lilafarbene Glasscheibe in der Hand undhielt diese neben eine wassergrüne, als sie beide Glasstücke wieder sinken ließ.
Verflixt! Sie hatte sich doch vorgenommen, heute die Entwürfe für neue Christbaumkugelformen, auf die Johanna schon dringend wartete, fertig zu machen.
Lustlos kramte Marie ihren Block mit den angefangenen Zeichnungen hervor. In ihr sträubte sich alles, sich wieder mit den alten Themen zu beschäftigen, wo so viel Neues auf sie wartete …
Anfänglich hatte der Gedanke, Formen für Glücksbringer herzustellen, ihr ausgesprochen gut gefallen. Sicher würden die Menschen sich gern einen Kaminkehrer, ein Schweinchen oder ein Kleeblatt an den Christbaum hängen und so schon vor der Jahreswende etwas für ihr Glück tun. Doch als sie nun ihren Entwurf für den Kaminkehrer betrachtete, machte sich Skepsis in ihr breit: Würde der Formenmacher Strupp überhaupt in der Lage sein, eine so große Form herzustellen? Und würden Peter und die anderen sie blasen können? Wo Magnus doch schon fluchte, wenn die Nikoläuse mit den hohen Mützen an der Reihe waren!
Magnus … Wie es ihm wohl ging? Noch immer hatte Marie ein schlechtes Gewissen, wenn sie an ihn dachte. Andererseits hätte sie nicht allein aus diesem Grund zu ihm zurückkehren können.
Gedankenverloren strich sich Marie über ihren Bauch. Wenn sie richtig gerechnet hatte, war sie im dritten Monat, was bedeutete, dass das Kind irgendwann im Mai kommen würde. Sie und ein Kind – eine seltsame Vorstellung.
Noch immer hatte sie ihrer Familie nichts von ihrer Schwangerschaft gesagt. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als könne sie Johanna und den anderen nicht noch mehr Neuigkeiten zumuten. Und was gab es schon groß zu erzählen? Ihr war weder schlecht, noch litt sie unter Gemütsschwankungen wie andere Frauen. Wenn überhaupt, dann war sie ein wenig streitlustigerals sonst. Abgesehen davon ging es ihr so gut wie noch nie in ihrem Leben, ja, sie hatte sogar das Gefühl, dass sie ihrem
»Umstand« die unbändige Kreativität verdankte, die zurzeit aus ihr heraussprudelte.
Nein, es reichte, wenn ihre Schwestern Anfang des nächsten Jahres von dem Baby erfuhren.
Mit einem Ruck klappte Marie den Zeichenblock zu.
Vielleicht sollte sie noch einmal ganz in Ruhe über neue Entwürfe nachdenken. Ein paar Tage früher oder später machten jetzt auch nichts mehr aus. Für den neuen Katalog im Februar wurden die Glücksformen wohl sowieso nicht rechtzeitig fertig.
Doch kaum saß sie wieder vor ihren bunten Glasscherben, bekam
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