Die amerikanische Nacht
verlockend es auch klingen mag, Marlowes Wohnung zu durchwühlen, während sie in einem drogeninduzierten Koma liegt«, sagte ich, »diese Aktion hat Olivia ermöglicht. Sie darf auf keinen Fall herausfinden, dass ich das Apartment ihrer Schwester durchstöbert habe wie einen Flohmarkt.«
»Wir beeilen uns«, sagte Hopper, »und hinterlassen alles genau so, wie wir es vorfinden.«
Ich sagte nichts und schielte zur anderen Straßenseite hinüber. Ein paar Meter neben einem Restaurant,
Lasagna Ristorante
, drückte sich ein verdächtig aussehender weißhaariger Mann in einem schwarzen Mantel vor einer Backsteinmauer herum. Er stand seit fünf Minuten dort und führte ein heftiges Streitgespräch am Telefon, doch zwischendurch blickte er immer wieder gezielt zu uns herüber.
»Wir brauchen jetzt die Gästeliste vom Waldorf«, sagte ich, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Wir brauchen die Namen aller Gäste, die zwischen dem 30 . September und dem 10 . Oktober im 30 . Stock abgestiegen sind, den Tagen, an denen Ashley in der Stadt war. Die gleichen wir dann mit der Mitgliederliste vom
Oubliette
ab. Wenn ein Name auf beiden Listen auftaucht, ist das die Person, nach der Ashley gesucht hat. Die Spinne.«
Der weißhaarige Mann beendete sein Gespräch und ging los, in nördlicher Richtung auf der Second Avenue. Ich wartete, ob er umdrehen oder die Straßenseite wechseln würde, aber er schien weg zu sein.
»Aber wie kommen wir an die Namen?«, fragte Nora.
»Da hilft nur eins.« Ich trank den Rest meines Kaffees. »Korruption und Einschüchterung.«
83
Ich spazierte in die Lobby des Waldorf Towers, um dort Erkundungen anzustellen.
Heute standen hinter der Rezeption eine attraktive Frau um die dreißig, mit langem, glänzendem Haar – auf ihrem Namensschild stand
Debra
–, und ein junger japanisch aussehender Mann,
Masato
. Nachdem sie ein paarmal ans Telefon gegangen war, nestelte Debra unter dem Schalter herum und holte eine große Louis Vuitton-Tasche hervor – ein gutes Zeichen; es bedeutete, dass sie Luxusartikel mochte und ein bisschen zusätzliches Bargeld gut gebrauchen konnte. Masato dagegen stand stoisch am anderen Ende der Rezeption, ohne etwas zu tun oder zu sagen, wie ein Kendo-Krieger, der im
Weg des Schwertes
bewandert war.
Die junge Single-Frau und der letzte Samurai – man musste kein Genie sein, um zu erraten, wer für Bestechung empfänglich sein würde.
Ich traf Nora und Hopper auf den Stufen von Saint Bartholomew gegenüber vom Hotel. Ich beschrieb ihnen, woran sie Debra erkennen konnten, und teilte uns drei für Überwachungsrunden ein, damit wir sie allein treffen würden, sobald sie das Hotel verließ. Einer von uns würde den Angestellteneingang von der Kirche aus beobachten, während die anderen beiden im benachbarten
Starbucks
warteten.
Vier Stunden vergingen. Und obwohl viele Angestellte aus dem Hotel kamen – und auf die andere Straßenseite gingen, um in Ruhe eine Zigarette zu rauchen –, tauchte Debra nicht auf.
Um vier Uhr schaute ich noch einmal im Hotel vorbei und erkannte, dass Debra einen anderen Ausgang genommen haben musste, denn jetzt war nur noch Masato da.
»Jeder hat seinen Preis«, sagte Hopper, als ich ihnen von dieser unglücklichen Entwicklung erzählte.
»Naja, so wie der Typ aussieht, sind sein Preis dreihundert Enthauptungen und ein Katana-Schwert.«
Um Punkt sechs alarmierte uns Nora, dass Masato das Hotel verließ. Es gelang mir, ihn zu erwischen, bevor er in der Subway-Station verschwinden konnte.
»Klar, ich mach’s«, verkündete er mit makellosem amerikanischen Akzent, nachdem ich erklärt hatte, um was es ging. »Für dreitausend Dollar.
Cash.
«
Ich lachte auf. »Fünfhundert.«
Er stand auf und verließ das
Starbucks
. Ich war mir sicher, dass er bluffte. Andererseits fuhr er jetzt bereits mit der Rolltreppe in die dichte Menschenmasse der Subway-Station hinab.
»Achthundert«, sagte ich, während ich mich an Einkaufstüten und Frauen vorbeikämpfte, die mir böse Blicke zuwarfen. Masato drehte sich nicht um.
»Eintausend.«
Ich rempelte ein eulengesichtiges Mädchen mit Hornbrille an, um zu ihm aufzuschließen. »Komplett mit Privatadressen.«
Masato setzte bloß einen großen blauen DJ -Kopfhörer auf.
»Zwölfhundert. Letztes Angebot. Und zu dem Preis wollen wir wissen, welche Nüsse aus der Minibar sie gegessen haben.«
Wir waren im Geschäft.
Minuten später stahl sich Masato mit einem ziemlich beeindruckenden Pokerface
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