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Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
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geradewegs auf die Aufzüge zusteuerte.
    Ich betrat einen und drückte die 2 . Doch die Nummer leuchtete nicht auf.
    Ich brauchte eine Art Sicherheitscode.
Ich wollte den Aufzug gerade verlassen, als eine grauhaarige Frau einstieg. Sie starrte die ganze Zeit auf ihr BlackBerry. Ohne zu grüßen gab sie einen vierstelligen Code ein. Es funktionierte nicht, weil ich einen Knopf gedrückt hatte. Sie runzelte die Stirn, drückte auf Reset und gab den Code noch einmal ein. Jetzt schlossen sich die Türen. Wir fuhren hoch. Sie hatte die 5 gedrückt. Ich trat einen Schritt vor und versuchte es wieder mit der 2 . Diesmal leuchtete sie auf.
    Sie drehte sich zu mir um und inspizierte mich neugierig.
    Bei 2 öffneten sich die Türen. Ich stieg aus und merkte, dass die Frau sich jetzt fragte, wer zur Hölle ich war, doch bevor sie reagieren konnte, hatten sich die Türen schon geschlossen.
    Ich war allein.
    Der zweite Stock des Straffen Hauses sah genauso aus wie der erste, nur leuchteten hier die rosa Neonröhren an der Decke noch heller, das Linoleum glänzte noch mehr, und die Wände waren minzgrün gestrichen. In beide Richtungen erstreckten sich schwarze Türen über den Flur. Das waren die Büros der Ärzte. Ich ging den Flur entlang. Neben den Türen waren Tafeln mit den Namen angebracht. Ich konnte leise Stimmen und Panflötenmusik hören, wie sie in einem Spa bei der Massage gespielt wird. In der Mitte des Flurs war ein kleiner Sitzbereich mit Fenstern, in dem zwei junge Männer auf Sofas ausgestreckt saßen und in Notizhefte schrieben.
    Sie bemerkten nicht, dass ich vorbeiging.
    Ich fand die Tafel
Dr. Annika Angley.
Ich klopfte leise und versuchte, als ich nichts hörte, die Tür zu öffnen.
Abgeschlossen.
Ich schlenderte zu den jungen Männern zurück.
    »Entschuldigung?«, sagte ich.
    Sie schauten erschrocken zu mir auf. Einer war blond, mit einem weichen, ängstlichen Gesicht. Der andere hatte braune Locken und rote, pockennarbige Haut.
    »Vielleicht könnt ihr mir helfen«, sagte ich. »Hat einer von euch eine ehemalige Bewohnerin namens Ashley Cordova gekannt?«
    Der Blonde sah den anderen zögernd an. »Nein. Aber ich bin auch gerade erst angekommen.«
    Ich drehte mich zu dem anderen um. »Was ist mit dir?«
    Er nickte langsam. »Ja. Ich hab von ihr gehört.«
    »Und was hast du gehört?«
    »Nur, dass Cordovas Tochter hier war.«
    »Hast du sie mal getroffen oder gesehen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie war Code Silber.«
    »Was ist Code Silber?«
    »Die Abteilung für akute Fälle. Die wohnen im Maudsley Haus.«
    »Verzeihung«, rief eine männliche Stimme hinter mir. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Ich drehte mich um. Ein kleiner, korpulenter Mann mit dichtem, braunem Bart stand im Flur und starrte mich an.
    »Das hoffe ich«, sagte ich. »Ich suche meine Tochter, Lisa.«
    »Kommen Sie mit.« Er streckte den Arm aus und forderte mich genervt lächelnd auf, mich von den Jungs zu entfernen. Ich nickte ihnen dankend zu und folgte dem Mann um die Ecke.
    »Diese Etage ist für alle außer den Bewohnern und den Ärzten gesperrt. Wie sind Sie hier hingekommen?«
    Ich erklärte so verwirrt wie ich konnte, dass Poole mir eine Führung gegeben hatte und wir meine Tochter verloren hatten.
    Er musterte mich geringschätzend – als würde er mir meine Dummheit abkaufen –, dann hielt er vor einem Büro und fummelte mit dem Schlüsselbund am Schloss herum. Er schob die Tür auf und schaltete das Licht an.
    »Bitte warten Sie hier bei mir, bis ich mit Elizabeth gesprochen habe.«
    »Ich kenne den Weg. Ich finde schon allein heraus.«
    »Sir, Sie setzen sich jetzt hier hin, oder ich rufe den Sicherheitsdienst.«
    Seinem Namensschild nach hieß er
Dr. Jason Elroy-Martin
. Ich trat ein und setzte mich auf seine Ledercouch, während er, zunehmend frustriert, die Nummern einer Kontaktliste abtelefonierte, die neben seinem Medizindiplom von der University of Miami an der Wand klebte. Nachdem er Poole zwei Nachrichten auf Band gesprochen hatte, erreichte er sie schließlich. Schnell war sein Gesicht rot vor Wut – zumindest das, was von seinem Gesicht übrig war; der Bart hatte seine Wangen überflutet.
    »Er ist hier bei mir«, sagte er und versuchte, mich mit seinem Blick zu vernichten. »Er hat zwei 1 – 17 er angesprochen. Die waren gerade mit Freiem Schreiben beschäftigt. Ja. Ja.« Er hörte einen Augenblick lang zu. »Kein Problem.«
    Er legte auf und lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück. Er faltete die

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