Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
fünfzehn Grad minus dasaß, um zu tun, was sie tun musste. Anfangs war es ihr etwas unangenehm gewesen, sich vor den Augen ihres Königs den Hintern abzuwischen, doch die Vorteile überwogen, und nach einer Weile hatte sie sich daran gewöhnt. Nachdem Sjölida 1993 ein richtiges WC bekommen hatte, hatten ihr die Momente mit Seiner Majestät richtig gefehlt.
»Wie schön, dass wir uns wiedersehen«, sagte sie und gab ihrem König die Hand. »Geht es der Königin gut?«
»Das Vergnügen ist ganz meinerseits«, sagte der König und fügte hinzu, dass es der Königin gut ging, während er angestrengt überlegte, wo er dieser Dame schon einmal begegnet war.
Holger 1 scheuchte alle in Gertruds Küche, um das ultimative Verhör mit dem König zu beginnen. Gertrud fragte, ob sie daran gedacht hatten, ein paar Lebensmittel einzukaufen, vor allem jetzt, wo sie ja Gäste hatten. Noch dazu den König, und dann auch noch diesen anderen da.
»Ich bin Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt«, sagte Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt und streckte ihr die Hand hin. »Angenehm.«
»Beantwortet mir doch lieber meine Frage«, sagte Gertrud. »Habt ihr was zu essen eingekauft?«
»Nein, Gertrud«, sagte Nombeko. »Uns ist was dazwischengekommen.«
»Dann müssen wir jetzt alle verhungern.«
»Können wir nicht den Pizzaservice anrufen?«, überlegte der König und dachte daran, dass sie auf dem Galadiner wahrscheinlich gerade die gebratenen Jakobsmuscheln mit Zitronenmelissepesto verspeist hatten und nun beim pochierten Heilbutt an Spargel mit gerösteten Pinienkernen angekommen waren.
»Hier draußen funktionieren keine Handys, daran sind die Politiker schuld. Ich mag Politiker nicht«, wiederholte Gertrud.
Und zum zweiten Mal dachte sich Fredrik Reinfeldt, dass das alles nicht wahr sein konnte. Da hatte er soeben hören müssen, wie sein König vorschlug, für sich und seine Kidnapper eine Pizza beim Lieferservice zu bestellen.
»Wenn ihr ein paar Hühnern den Hals umdreht, kann ich uns was zu essen machen«, fiel Gertrud ein. »Meine zweihundert Hektar Kartoffelland habe ich zwar leider verkauft, aber Engström merkt es garantiert nicht, wenn wir ihm fünfzehn von seinen fünfzehn Millionen Kartoffeln klauen.«
Mittendrin stand Holger 1 mit der Pistole in der Hand. Pizzaservice? Hühner? Was ging hier eigentlich ab? Der König sollte schließlich vor die Wahl gestellt werden, entweder abzudanken oder sich in Atome aufzulösen.
Nummer eins flüsterte Celestine zu, dass es Zeit wurde, Klartext zu reden. Sie nickte und beschloss, zuerst einmal ihrer Großmutter die Situation zu erklären. Und das tat sie dann auch in aller Kürze. Sie hatten den König gekidnappt, und den Ministerpräsidenten hatten sie bei der Gelegenheit noch gratis dazugekriegt. Und jetzt mussten Holger und sie ihn zwingen, von seinem Amt zurückzutreten.
»Den Ministerpräsidenten?«
»Nein, den König.«
»Wie schade«, meinte Gertrud und fügte hinzu, dass aber niemand auf leeren Magen zurücktreten sollte. Sie machte jetzt erst mal Hähnchenpfanne, oder?
Hausgemachte Hähnchenpfanne, das klang dem König ebenso handfest wie lecker in den Ohren. Doch wenn er bald was in den Magen bekommen wollte, musste er wohl selbst zur Tat schreiten.
Im Laufe der Jahre hatte er so manche Fasanenjagd mitgemacht, und zu Anfang, als der König nur ein Kronprinz war, standen die Leute nicht gerade Schlange, um ihm seine Beute zu zerlegen – der junge Mann sollte ruhig mal ein bisschen abgehärtet werden. Nun dachte er sich, wenn er vor fünfunddreißig Jahren einen Fasan schießen und rupfen konnte, dann konnte er heute wohl auch ein Huhn schlachten und rupfen.
»Wenn sich der Ministerpräsident um die Kartoffeln kümmert, erledige ich das mit den Hühnern«, sagte er.
Da Fredrik Reinfeldt zu diesem Zeitpunkt schon fast sicher war, dass das alles gar nicht wirklich passierte, marschierte er mit der Heugabel auf den Kartoffelacker – mit seinen Lackschuhen und dem Frack von Corneliani. Aber immer noch besser als die Alternative, sich das Hemd und wer weiß, was sonst noch alles, mit Hühnerblut zu bekleckern.
Der König war für sein Alter ziemlich behände. Innerhalb von fünf Minuten hatte er drei junge Hähne eingefangen und ihnen mit der Axt die Köpfe abgehauen. Sein Marinejackett hing an einem Haken an der Wand des Hühnerhauses, wo nun in der Abendsonne der Königliche Seraphinenorden, das Jubiläumsabzeichen von Gustav V ., die Gedächtnismedaille von
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