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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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Ahnung hatten.
    Diese Tatsache hätte in Anbetracht des großen Ganzen als Fußnote durchgehen können, hätte der Ingenieur nicht einen der geheimsten und dramatischsten Aufträge der Welt gehabt. Er sollte Südafrika nämlich zur Atommacht machen. An diesem Unternehmen wurde in der Forschungsanlage Pelindaba gearbeitet, eine knappe Stunde nördlich von Johannesburg.
    Davon wusste Nombeko freilich nichts, auch wenn ihr allmählich schwante, als sie sich dem Büro des Ingenieurs näherten, dass die Dinge nicht ganz so unkompliziert lagen, wie sie sich das anfangs vorgestellt hatte.
    Genau in dem Moment, als der Kognak alle war, erreichten der Ingenieur und sie den äußersten Wachposten der Anlage. Nachdem er sich ausgewiesen hatte, durften sie das Tor passieren, vorbei an einem drei Meter hohen Zaun, der unter zwölftausend Volt Strom stand. Es folgte ein fünfzehn Meter langer Abschnitt, der von jeweils zwei Wachen mit Hund bewacht wurde, dann erreichte man das innere Tor und den nächsten drei Meter hohen Zaun mit ebenso viel Volt. Außerdem war jemand darauf verfallen, rund um die ganze Anlage, auf dem Gelände zwischen den Dreimeterzäunen, ein Minenfeld zu legen.
    »Hier wirst du dein Verbrechen sühnen«, sagte der Ingenieur. »Und hier wirst du wohnen, damit du nicht abhauen kannst.«
    Elektrozaun, Wachen mit Hund und Minenfelder waren Parameter, die Nombeko ein paar Stunden zuvor im Gericht nun wirklich nicht in Betracht gezogen hatte.
    »Sieht ja gemütlich aus«, sagte sie.
    »Jetzt machst du schon wieder unnötig den Mund auf«, sagte der Ingenieur.
    * * * *
    Das südafrikanische Kernwaffenprogramm begann 1975, ein Jahr bevor Ingenieur van der Westhuizen volltrunken ein schwarzes Mädchen überfuhr. Es gab zwei Gründe, warum er an diesem Tag im Hilton Hotel gesessen und Kognak in sich hineingeschüttet hatte, bis man ihn höflich hinauskomplimentierte. Der eine Grund war sein Alkoholismus. Der Ingenieur brauchte mindestens eine Flasche Klipdrift am Tag, um das System am Laufen zu halten. Der andere Grund war seine schlechte Laune. Und sein Frust. Der Ingenieur war nämlich gerade vom Premierminister Vorster unter Druck gesetzt worden, der sich beschwerte, dass nach einem ganzen Jahr noch keine Fortschritte zu sehen waren.
    Der Ingenieur versuchte, das Gegenteil zu behaupten. Auf der geschäftlichen Ebene etwa hatte man einen Austausch mit Israel angeregt. Freilich auf Initiative des Premierministers selbst, aber nun ging ja tatsächlich Uran Richtung Jerusalem, und zurück kam Tritium. Zwei israelische Agenten waren im Rahmen des Projekts sogar dauerhaft in Pelindaba stationiert.
    Nein, der Premierminister hatte auch gar keine Klage zu führen, was die Zusammenarbeit mit Israel, Taiwan und anderen betraf. Wo es haperte, war das Handwerkliche. Oder wie der Premierminister sich ausdrückte:
    »Wir brauchen keine ellenlangen Erklärungen von Ihnen. Wir brauchen nicht noch mehr Kooperationspartner von Ihnen. Verdammt noch mal, wir brauchen eine Atombombe von Ihnen, Herr van der Westhuizen. Und dann gleich noch mal fünf.«
    * * * *
    Während Nombeko sich hinter dem doppelten Zaun auf Pelindaba einlebte, saß Premierminister Balthazar Johannes Vorster seufzend in seinem Palast. Er musste von frühmorgens bis spätabends schuften. Was auf seinem Schreibtisch mehr brannte als alles andere, war die Angelegenheit mit den sechs beschlossenen Atombomben. Was, wenn dieser kriecherische Westhuizen nun doch nicht der richtige Mann für die Aufgabe war? Der redete und redete, lieferte aber nie Leistung ab.
    Vorster grummelte grimmig in seinen Bart und schimpfte auf die verdammte UNO , die Kommunisten in Angola, die Sowjets, Kuba, das Horden von Revolutionären nach Südafrika schickte, und die Marxisten, die in Mosambik das Ruder schon an sich gerissen hatten. Nicht zu vergessen die verdammte CIA , die irgendwie immer mitkriegte, was los war, und dann nicht für sich behalten konnte, was sie wusste.
    »Nee, nee, Gottverdammich«, kommentierte B. J. Vorster den Zustand der Welt im Allgemeinen.
    Die Nation war jetzt bedroht, nicht erst, wenn der Ingenieur geruhte, endlich mal aus dem Quark zu kommen!
    Der Premierminister war über Umwege an die Macht gekommen. Ende der Dreißigerjahre, als junger Mann, interessierte er sich für den Nationalsozialismus. Vorster fand, dass die deutschen Nazis sehr interessante Verfahren entwickelt hatten, um Leute von Leuten zu unterscheiden. Das vermittelte er auch allen, die ihm

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