Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
zuhören wollten.
Dann brach der Weltkrieg aus. Pech für Vorster, dass Südafrika sich hinter die Alliierten stellte (schließlich war man ja Teil des Britischen Imperiums). Nazis wie er wurden ein paar Jahre eingesperrt, bis der Krieg vorüber war. Als er wieder draußen war, trat er etwas vorsichtiger auf. Nationalsozialistischem Gedankengut hat es noch nie gutgetan, wenn man es als das bezeichnete, was es war.
In den Fünfzigerjahren galt Vorster dann wieder als gesellschaftsfähig. Im Frühjahr 1961, im selben Jahr, in dem Nombeko in einer Hütte in Soweto zur Welt kam, stieg er zum Justizminister auf. Ein Jahr später gelang es ihm und seiner Polizei, den übelsten Vogel von allen zu fassen – den ANC -Terroristen Nelson Rolihlahla Mandela.
Mandela bekam selbstverständlich lebenslänglich und wurde auf eine Gefängnisinsel bei Kapstadt geschickt, wo er sitzen konnte, bis er verfaulte. Vorster dachte, dass das durchaus flott gehen könnte.
Während Mandela das Verfaulen in Angriff nahm, erklomm Vorster selbst schön die Karriereleiter. Beim letzten entscheidenden Schritt bekam er Hilfe von einem Afrikaner mit einem ganz speziellen Problem, dem die Sicherung durchbrannte. Der Mann galt im Apartheidsystem nämlich als Weißer, aber das war vielleicht doch ein Irrtum, denn eigentlich sah er eher farbig aus, weshalb er nirgendwo hinpasste. Er befreite sich von seinen inneren Qualen, indem er B. J. Vorsters Vorgänger ein Messer in den Bauch stieß – ganze fünfzehn Mal.
Der Mann, der sowohl weiß war als auch etwas anderes, wurde in eine psychiatrische Klinik gesperrt, wo er dreiunddreißig Jahre saß, ohne jemals herauszufinden, welcher Rasse er denn nun angehörte. Dann starb er. Im Unterschied zum Premierminister mit den fünfzehn Stichwunden: Der war nämlich erstens ganz sicher, weiß zu sein, und starb zweitens sofort.
Die Nation brauchte also einen neuen Premier. Am besten jemand, der durchzugreifen wusste. Und ehe man sichs versah, saß Altnazi Vorster auf diesem Posten.
Innenpolitisch war er zufrieden mit dem, was er und sein Land erreicht hatten. Mit Berufung auf das neue Terroristengesetz konnte die Regierung im Prinzip jeden beliebigen Menschen als Terroristen bezeichnen, ihn oder sie beliebig lange einsperren und dafür einen beliebigen Grund angeben. Oder auch gar keinen.
Ein weiteres geglücktes Projekt bestand darin, dass für die verschiedenen Stämme sogenannte Homelands geschaffen wurden – für jede Sorte ein Land, außer für die Xhosa, das waren so viele, dass sie gleich zwei kriegten. Dann musste man nur noch alle Schwarzen von einer Sorte einsammeln, sie mit dem Bus in das für sie vorgesehene Homeland karren, ihnen die südafrikanische Staatsbürgerschaft entziehen und ihnen die Staatsbürgerschaft ihres Homelands verpassen. Wer kein Südafrikaner mehr ist, kann sich ja auch nicht mehr auf südafrikanisches Recht berufen. Ganz einfache Rechnung.
Außenpolitisch sah es in vielerlei Hinsicht schwieriger aus. Die Welt da draußen missverstand die Absichten dieses Landes am laufenden Band. So hielt Südafrika etwa an der schlichten Wahrheit fest, dass aus jemandem, der kein Weißer ist, ganz bestimmt niemals ein Weißer werden kann – und um so etwas erhob die Welt dann ein Riesengeschrei!
Der ehemalige Nazi Vorster verspürte jedoch eine gewisse Befriedigung über seine Zusammenarbeit mit Israel. Das waren zwar Juden, aber die wurden häufig genauso missverstanden wie Vorster selbst.
»Nee, nee, Gottverdammich«, wiederholte B. J. Vorster.
Was trieb dieser Pfuscher Westhuizen eigentlich?
* * * *
Engelbrecht van der Westhuizen war zufrieden mit seiner neuen Hilfskraft, die ihm die Vorsehung da in die Hände gespielt hatte. Obwohl sie noch immer mit geschientem linken Bein herumhumpelte und den rechten Arm im Dreieckstuch trug, bekam sie trotzdem so einiges erledigt. Wie hieß sie noch mal?
Zu Anfang nannte er sie »Kaffer zwei«, um sie von der anderen Schwarzen zu unterscheiden, die im äußeren Wachbereich putzte. Doch als diese Anrede dem Bischof der örtlichen reformierten Kirche zu Ohren kam, stauchte er den Ingenieur gehörig zusammen. Die Schwarzen hatten wahrlich mehr Respekt verdient.
Die Kirche hatte schon vor knapp hundert Jahren Schwarze in ihre Abendmahlsgemeinschaft aufgenommen. Allerdings mussten sie immer so lange ganz hinten warten, bis sie an der Reihe waren, dass man ihnen genauso gut gleich eine eigene Kirche bauen konnte. Der Bischof war der Ansicht,
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