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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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Titel »Hilfskraft«, auch wenn sie parallel zu ihrer Putztätigkeit die dicken Ordner durchackerte, in denen der Leiter der Forschungsabteilung Problembeschreibungen, Testresultate und Analysen zusammengestellt hatte. Natürlich las sie nur das, was der Ingenieur selbst zeitlich einfach nicht mehr schaffte.
    »Wovon handelt dieser Scheiß hier eigentlich?«, fragte Ingenieur van der Westhuizen eines Tages und drückte seiner Putzfrau den nächsten Stapel Papier in die Hand.
    Nombeko las es durch und erstattete ihm dann Bericht.
    »Das ist eine Analyse der Konsequenzen des statischen und dynamischen Überdrucks bei Bomben von unterschiedlichen Kilotonnen Sprengkraft.«
    »Würdest du dich bitte verständlich ausdrücken?«, sagte der Ingenieur.
    »Je stärker die Bombe, desto mehr Gebäude fliegen in die Luft«, präzisierte Nombeko.
    »Also bitte, das kapiert doch wohl jeder Berggorilla, oder nicht? Bin ich denn bloß von Trotteln umgeben?« Der Ingenieur goss sich einen Kognak ein und bat seine Putzfrau zu verschwinden.
    * * * *
    Nombeko fand, dass Pelindaba als Gefängnis so gut wie einzigartig war. Eigenes Bett, Zugang zu einem WC statt Verantwortung für viertausend Plumpsklos, zwei Mahlzeiten täglich und Obst zum Mittagessen. Und eine eigene Bibliothek. Das heißt, ihre eigene Bibliothek war es zwar nicht, aber außer Nombeko interessierte sich keiner dafür. Und sie war auch nicht besonders umfangreich und sicher weit entfernt von dem, was sich Nombekos Meinung nach in Pretoria befinden musste. Und manches, was hier in den Regalen stand, war veraltet oder irrelevant oder beides. Trotzdem.
    Daher diente sie ziemlich unbekümmert ihre Strafe ab, die sie dafür bekommen hatte, sich dummerweise an jenem Wintertag 1976 von einem volltrunkenen Mann auf dem Gehweg überfahren zu lassen. Was sie hier erlebte, war in jeder Hinsicht besser als Latrinentonnenschleppen auf der größten menschlichen Mülldeponie der Welt.
    Nachdem genug Monate vergangen waren, fing sie an, in Jahren zu rechnen. Natürlich dachte sie ab und zu mal daran, wie sie vorzeitig aus Pelindaba entkommen könnte. Es war schon eine Herausforderung, die Zäune, das Minenfeld, die Wachhunde und die Alarmanlage zu überwinden.
    Vielleicht einen Tunnel graben?
    Nein, die Idee war so dumm, dass sie sie gleich wieder fallen ließ.
    Sich als blinder Passagier in irgendeinem Auto rausschleusen lassen?
    Nein, jeder blinde Passagier wäre sofort von den Schäferhunden der Wachen entdeckt worden, und da blieb dann nur zu hoffen, dass sie einen gleich an der Kehle erwischten, damit man sich weiteren Ärger ersparte.
    Bestechung?
    Na ja, vielleicht … aber dann hätte sie genau eine einzige Chance, und der Bestochene würde wohl ganz im südafrikanischen Stil die Diamanten einstecken und sie anschließend anzeigen.
    Vielleicht die Identität von jemand anders annehmen?
    Nun, das könnte im Prinzip funktionieren. Jemand anderem die Hautfarbe zu stehlen wäre allerdings schon erheblich schwieriger.
    Nombeko beschloss, die Gedanken an die Flucht eine Weile zurückzustellen. Vielleicht bestand ihre einzige Chance ja doch darin, sich unsichtbar zu machen und sich Flügel wachsen zu lassen. Flügel allein würden ja nicht reichen, da würde sie von einer der acht Wachen auf den vier Türmen abgeschossen werden.
    Sie war fünfzehn Jahre alt, als sie hinter dem zweifachen Zaun und dem Minenfeld verschwand, und ging schon auf ihren siebzehnten Geburtstag zu, als der Ingenieur ihr feierlich mitteilte, dass er ihr einen gültigen südafrikanischen Pass besorgt hatte, obwohl sie schwarz war. Ohne einen solchen hätte sie nämlich keinen Zutritt zu all den Fluren mehr gehabt, zu denen sie nach Meinung des bequemen Ingenieurs Zutritt haben sollte. Diese Regel stammte vom südafrikanischen Sicherheitsdienst, und Ingenieur van der Westhuizen wusste sehr wohl, mit wem man sich anlegen konnte und mit wem nicht.
    Er bewahrte den Pass in seiner Schreibtischschublade auf, und da er ein schier unerschöpfliches Bedürfnis hatte, Leute zu drangsalieren, ließ er sich immer wieder darüber aus, wie lästig es doch war, dass er diesen Pass unter Verschluss halten musste.
    »Damit du nicht auf den Gedanken kommst, von hier abzuhauen, Wieheißtdunochgleich. Ohne Pass kannst du das Land nämlich nicht verlassen, und dann finden wir dich früher oder später auf jeden Fall«, erklärte der Ingenieur und setzte ein hässliches Grinsen auf.
    Nombeko erwiderte, Wiesienochgleichhieß stehe ja

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