Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
Katze des Chefs der Wachmannschaft, die heimlich aus den Hundeschüsseln mitnaschte, in einem kritischen Zustand.
Ethylenglykol hat die Eigenschaft, sehr schnell aus dem Darm in den Blutkreislauf überzugehen. In der Leber wird es dann in Glykolaldehyd, Glykolsäure und Oxalat umgewandelt. Wenn die Menge groß genug ist, führt das zu Nierenversagen, bevor anschließend auch Lungen und Herz in Mitleidenschaft gezogen werden. Die direkte Todesursache bei den acht Hunden lautete Herzstillstand.
Die Fehlberechnung des kleinen Chinesenmädchens hatte zur Folge, dass sofort die Sirenen losheulten und die Wachmannschaft in höchste Alarmbereitschaft versetzt wurde, was es Nombeko natürlich unmöglich machte, sich in einer Mülltonne hinausschmuggeln zu lassen.
Die Mädchen wurden schon am zweiten Tag zum Verhör bestellt, aber während sie noch hartnäckig leugneten, fand das Sicherheitspersonal einen fast leeren Eimer mit Ethylenglykol im Kofferraum des Autos eines der zweihundertfünfzig Angestellten. Nombeko hatte ja Zugriff auf den Schlüsselschrank des Ingenieurs und damit Zutritt zur Garage, und der betreffende Kofferraum war einfach der gewesen, der zufällig nicht abgeschlossen war, als sie den Eimer irgendwo verstecken musste. Der Besitzer des Wagens war ein Mitarbeiter von der halbmoralischen Sorte: Einerseits würde er sein Land nie verraten, andererseits hatte er unseligerweise ausgerechnet an diesem Tag die Aktentasche seines Abteilungsleiters samt Geld und Scheckheft gemopst. Die Tasche wurde prompt neben dem Eimer gefunden, man zählte eins und eins zusammen, und der Mann wurde gefasst, verhört und gefeuert – und zu sechs Monaten Gefängnis wegen Diebstahls plus zweiunddreißig Jahren wegen Terrorismus verurteilt.
»Das war ja haarscharf«, sagte Kleine Schwester, als jeder Verdacht gegen die drei Schwestern fallen gelassen wurde.
»Wollen wir einen neuen Versuch starten?«, fragte Mittlere Schwester.
»Dann müssen wir allerdings warten, bis sie neue Hunde besorgt haben«, sagte Große Schwester. »Die alten sind ihnen ja ausgegangen.«
Nombeko sagte gar nichts. Aber sie dachte bei sich, dass ihre Zukunftsaussichten nicht viel rosiger waren als die der Katze des Chefs der Wachmannschaft, die gerade zu krampfen begann.
4. KAPITEL
Von einem barmherzigen Samariter, einem Fahrraddieb und einer immer nikotinsüchtigeren Hausfrau
Nachdem er Henriettas Geld ausgegeben hatte, bekam Ingmar fast den ganzen Rückweg von Nizza nach Södertälje nichts in den Magen. Doch in Malmö traf der schmutzige, ausgehungerte Postbeamte auf einen Soldaten der Heilsarmee, der nach einem langen Tag im Dienste des Herrn auf dem Nachhauseweg war. Ingmar fragte ihn, ob er ein Stückchen Brot entbehren könnte.
Der Heilsarmist ließ sich sofort vom Geist der Liebe und des Mitleids ergreifen, und das so gründlich, dass er Ingmar mit zu sich nach Hause nahm.
Dort lud er seinen Gast zu Rübenmus mit Speck ein und richtete ihm anschließend das eigene Bett, um selbst auf dem Boden vor dem Herd zu schlafen. Ingmar gähnte und meinte, die Freundlichkeit des Soldaten beeindrucke ihn zutiefst. Woraufhin der Mann erwiderte, die Erklärung für seine Taten finde sich in der Bibel, nicht zuletzt im Lukasevangelium, in dem die Geschichte vom barmherzigen Samariter zu lesen stand. Er fragte Ingmar, ob er ihm ein paar Zeilen aus der Heiligen Schrift vorlesen dürfe.
»Natürlich darf er das«, sagte Ingmar, »aber bitte leise, denn ich muss schlafen.«
Und dann schlummerte er ein. Und wachte am nächsten Morgen vom Geruch frischer Brötchen auf.
Nach dem Frühstück bedankte er sich beim barmherzigen Soldaten, verabschiedete sich und stahl ihm dann das Fahrrad. Während er davonstrampelte, überlegte er, ob nicht auch in der Bibel stand, dass Not kein Gebot kennt. Ganz sicher war er sich allerdings nicht.
Das Diebesgut veräußerte er jedenfalls in Lund und kaufte sich vom Erlös eine Zugfahrkarte bis nach Hause.
Im Haus traf er auf Henrietta. Bevor sie den Mund aufmachen konnte, um ihn willkommen zu heißen, teilte er ihr mit, dass jetzt der Zeitpunkt zum Kindermachen gekommen sei.
Henrietta hatte eigentlich eine ganze Reihe Fragen, nicht zuletzt die, warum Ingmar plötzlich ohne den verdammten Karton mit amerikanischen Soldatenkondomen mit ihr zwischen die Laken schlüpfen wollte. Aber sie war natürlich nicht dumm und ergriff die Gelegenheit. Sie bat ihren Mann nur, vorher zu duschen, denn er roch fast genauso übel, wie er
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