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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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da sagte sie:
    »Au! Ich glaube, da kommt noch eins.«
    Der frischgebackene Vater war verwirrt. Erst hätte er beinahe die Geburt seines Sohnes miterlebt, wenn er sich nicht im Flur im Kabel verheddert hätte. Und wenige Minuten später kam – noch ein Sohn!
    Ingmar konnte es nicht gleich verarbeiten, denn Henrietta erteilte ihm nun mit schwacher, aber bestimmter Stimme eine ganze Reihe von Anweisungen, was er zu tun hatte, um das Leben von Mutter und Kind nicht zu gefährden.
    Aber dann hatten sich die Dinge beruhigt, alles war gut gegangen, abgesehen davon, dass Ingmar nun plötzlich mit zwei Söhnen auf dem Schoß dasaß, wo er doch ganz klar gesagt hatte, dass es nur einer werden sollte. Sie hätten es an jenem Abend eben nicht zweimal machen sollen – jetzt hatten sie den Salat.
    Henrietta bat ihren Mann, keinen Blödsinn zu reden, und betrachtete ihre zwei Söhne, erst den einen, dann den anderen. Und dann sagte sie:
    »Ich finde, es sieht so aus, als wäre der Linke Holger.«
    »Ja«, murmelte Ingmar. »Oder der Rechte.«
    Man hätte die Frage so entscheiden können, dass es natürlich der Erstgeborene sein musste, doch in der allgemeinen Aufregung mit dem Mutterkuchen und dem ganzen Drum und Dran hatte Ingmar Nummer eins und Nummer zwei verwechselt, und jetzt wusste er gar nicht mehr, wer wer war.
    »Verdammich!«, sagte er und wurde sofort von seiner Frau zurechtgewiesen.
    Schimpfwörter sollten nicht das Erste sein, was ihre Söhne zu hören bekamen, nur weil es zufällig einer zuviel geworden war.
    Ingmar verstummte. Er überdachte die Situation noch einmal und fasste einen Entschluss.
    »Das ist Holger«, sagte er und deutete auf das rechte Kind.
    »Aha«, sagte Henrietta. »Und wer ist dann der andere?«
    »Das ist auch Holger.«
    »Holger und Holger?« Henrietta überkam die jähe Lust auf eine Zigarette. »Bist du ganz sicher, Ingmar?«
    Und ob er das war.

2. TEIL
    Je mehr ich von den Menschen sehe, um so mehr schätze ich Hunde.
    Friedrich der Große

5. KAPITEL
    Von einem anonymen Brief, Frieden auf Erden und einem hungrigen Skorpion
    Ingenieur van der Westhuizens Hilfskraft klammerte sich nun wieder an die abwegige Hoffnung, dass eine Veränderung der Gesellschaft sie retten würde. Aber es war nicht leicht für sie, die Chancen auf irgendwelche Ereignisse vorauszusehen, die ihr überhaupt erst eine Zukunft verschaffen könnten, ganz zu schweigen von der Qualität dieser Zukunft.
    Die Bücher in der Bibliothek der Forschungsanlage erhellten natürlich gewisse Zusammenhänge, doch das meiste, was hier in den Regalen stand, war zehn Jahre alt oder älter. Unter anderem hatte Nombeko in einer Schrift von 1924 geblättert, in der ein Professor aus London auf zweihundert Seiten überzeugend darzulegen glaubte, warum es nie wieder Krieg geben würde, nämlich aufgrund der Kombination von Völkerbund und Verbreitung der immer beliebteren Jazzmusik.
    Da war es schon leichter zu verfolgen, was innerhalb der Zäune und Mauern der Anlage geschah. Leider ging aus den letzten Berichten hervor, dass die fleißigen Mitarbeiter des Ingenieurs das autokatalytische Problem gelöst hatten (und auch noch ein paar andere) und jetzt zu einem Atomtest bereit waren. Ein erfolgreicher Test würde das ganze Projekt gefährlich nahe an seinen Abschluss bringen, zu nahe für Nombekos Geschmack, denn sie hätte gern noch eine Weile weitergelebt.
    Sie konnte nur eines tun: hie und da versuchen, die Entwicklung ein wenig zu bremsen. Möglichst ohne dass die Regierung in Pretoria den Verdacht schöpfte, van der Westhuizen sei so unfähig, wie er es tatsächlich war. Es reichte schon, wenn sie die gerade begonnenen Bohrungen in der Kalahari-Wüste vorübergehend zum Stillstand brachte.
    Obwohl es mit dem Ethylenglykol nun mal so gelaufen war, wie es gelaufen war, entschied sich Nombeko, die Chinesenmädchen noch einmal um Hilfe zu bitten. Sie fragte, ob es wohl möglich sei, über sie einen Brief zu verschicken, beziehungsweise über die Mutter der Mädchen. Wie funktionierte das überhaupt? Wurde die Ausgangspost denn gar nicht kontrolliert?
    Doch, schon. Es gab eine Langnase in der Wache, die nichts anderes zu tun hatte, als alles zu kontrollieren, was nicht an hochgestellte Empfänger adressiert war, die ohnehin offiziell Zugang zu geheimen Dokumenten hatten. Beim geringsten Verdacht öffnete er den Brief und verhörte den Absender ohne Ansehen der Person.
    Das wäre natürlich ein unüberwindliches Hindernis gewesen, wenn

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