Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
an Rohdiamanten ist sehr groß, Fräulein … Nombeko, hießen Sie nicht so?«
Bislang waren die Geschäfte überhaupt nicht so gegangen, wie es sich der Juwelier gedacht hatte. Aber nun konnte er seine Pläne, sich noch einmal selbst zu überfallen, ad acta legen.
Drei Monate später waren alle achtundzwanzig Diamanten eingetauscht und weiterverkauft. Und Nombeko und Holger hatten einen ganzen Rucksack voll Geld. Neunzehn Komma sechs Millionen Kronen, bestimmt fünfzehn Prozent unter dem Preis, den sie hätten erzielen können, wenn das Geschäft nicht so diskret hätte abgewickelt werden müssen. Aber wie Holger 2 meinte:
»Neunzehn Komma sechs Millionen sind immerhin neunzehn Komma sechs Millionen.«
Er hatte sich in der Zwischenzeit zur Aufnahmeprüfung für die Universität angemeldet. Die Sonne schien, und die Vögel zwitscherten.
4. TEIL
Das Leben muss nicht leicht sein, wenn es nur inhaltsreich ist.
Lise Meitner
14. KAPITEL
Von einem unwillkommenen Besuch und einem plötzlichen Todesfall
Im Frühjahr 1994 war Südafrika das erste und bis dahin einzige Land der Welt, das erst eigene Kernwaffen entwickelt und anschließend erklärt hatte, auf sie verzichten zu wollen. Ganz freiwillig ließ man das Atomprogramm einstellen, kurz bevor die weiße Minderheit gezwungen wurde, die Schwarzen an die Macht zu lassen. Dieser Prozess dauerte mehrere Jahre und geschah unter der Oberaufsicht der internationalen Atomenergieorganisation IAEA , die am Ende offiziell bestätigen konnte, dass die sechs südafrikanischen Atombomben nicht mehr existierten.
Die siebte hingegen, die es nie gegeben hatte, die existierte immer noch. Und demnächst sollte sie auch noch in Bewegung kommen.
Es begann damit, dass die junge Zornige es satt hatte, einfach nie von der Polizei gefasst zu werden. Was, zum Teufel, machten die eigentlich den ganzen Tag? Sie missachtete Geschwindigkeitsbegrenzungen, sie fuhr über durchgezogene Linien, und sie hupte alte Damen an, die die Straße überquerten. Nichtsdestoweniger verging ein Jahr nach dem anderen, ohne dass ein einziger Streifenpolizist sich für sie interessiert hätte. Da gab es nun Tausende von Polizisten in diesem Land, die von ihr aus allesamt zur Hölle fahren konnten, aber Celestine hatte noch nie Gelegenheit gehabt, es einem von ihnen ins Gesicht zu sagen.
Der Gedanke, eines Tages Non, je ne regrette rien singen zu dürfen, war immer noch zu reizvoll, als dass sie ihren Job hätte hinschmeißen wollen, aber jetzt musste langsam wirklich mal was passieren, sonst würde sie eines Tages erwachen und feststellen, dass sie auch schon zum Establishment gehörte. Und dann war Holger 2 vor ein paar Tagen tatsächlich mit dem Vorschlag angekommen, sie solle doch mal einen richtigen Lkw-Führerschein machen. O Mann, damit wäre doch alles im Arsch!
In ihrem Frust fuhr sie zu Holger 1 nach Bromma und erklärte, sie müssten jetzt ein Zeichen setzen.
»Ein Zeichen setzen?«
»Ja. Mal so richtig Staub aufwirbeln.«
»Und an was hast du da so gedacht?«
Das konnte die junge Zornige gar nicht so recht sagen. Aber sie ging in den nächsten Laden und kaufte sich ein Exemplar des bürgerlichen Scheißblatts Dagens Nyheter , das nichts anderes tat, als die Interessen der Mächtigen zu bedienen. Verdammte Schweine!
Und dann blätterte sie. Und blätterte weiter. Sie fand vieles, was ihre zornige Grundhaltung noch verschlimmerte, aber es war vor allem ein kleiner Artikel auf Seite siebzehn, der sie so richtig auf hundertachtzig brachte.
»Hier!«, rief sie. »Das hier können wir einfach nicht so hinnehmen!«
In diesem Artikel stand, dass die ziemlich neue Partei der Sverigedemokrater vorhatte, auf dem Sergels torg, einem öffentlichen Platz mitten in Stockholm, am nächsten Tag eine Demonstration zu veranstalten. Die Partei hatte bei der Reichstagswahl vor knapp drei Jahren 0,09 Prozent der Stimmen bekommen, und das war nach Meinung der jungen Zornigen viel zu viel. Sie erklärte ihrem Freund, dass diese Partei aus verkappten Rassisten unter der Führung eines Exnazis bestand, und alle miteinander hatten sie eine große Leidenschaft fürs Königshaus!
Die junge Zornige fand, diese Demonstration schrie geradezu nach einer Gegendemonstration!
Als Holger 1 hörte, wie diese Partei den Status des Königs und der Königin einschätzte, konnte er sich auch sofort für Celestines Idee begeistern. Nach all den Jahren meinungsbildend wirken zu können, ganz im Geiste von Papa Ingmar, fand er
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