Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
großartig.
»Ich hab morgen sowieso frei«, sagte er. »Komm, wir fahren nach Gnesta und bereiten uns vor!«
Nombeko traf Holger 1 und die junge Zornige zu Hause an, wie sie gerade Plakate für den nächsten Tag malten. Darauf stand: »Sverigedemokrater raus aus Schweden«, »Schafft das Königshaus ab«, »Schießt den König auf den Mond« und »Sverigedemokrater sind doof«.
Nombeko hatte auch schon so einiges über diese Partei gelesen und dabei vieles wiedererkannt. Ehemaliger Nazi zu sein, war selbstverständlich kein Hindernis, wenn man politische Karriere machen wollte. Fast alle südafrikanischen Premierminister gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts hatten einen entsprechenden Hintergrund. Die Sverigedemokrater bekamen zwar nur ein Zehntelprozent der Stimmen bei der letzten Reichstagswahl, aber ihre Rhetorik zielte darauf ab, Ängste zu schüren, und Nombeko glaubte, dass den Ängsten die Zukunft gehörte, das war schon immer so gewesen.
Dem Ausspruch »Sverigedemokrater sind doof« konnte sie allerdings nicht so recht zustimmen. Wenn ein Nazi aufhört, sich als solcher zu bezeichnen, ist er nämlich eigentlich ganz schön schlau.
Daraufhin ließ die junge Zornige eine Tirade vom Stapel, in der sie dem Verdacht Ausdruck verlieh, dass Nombeko selbst Nazi sei.
Nombeko ließ die Plakatmaler allein und ging zu Nummer zwei, um ihm zu berichten, dass sie vielleicht ein Problem hatten, weil Nummer zweis Trottel von Bruder und dessen Freundin einen Ausflug nach Stockholm planten, um dort mal so richtig Dampf abzulassen.
»Ich hab dem Frieden ja nie getraut«, sagte Holger 2, ohne sich jedoch eine Vorstellung von dem Elend zu machen, das auf sie alle zurollte.
* * * *
Hauptredner auf der Demonstration der Sverigedemokrater war der Parteivorsitzende selbst. Er stand mit dem Mikro in der Hand auf dem zusammengezimmerten Podium und erzählte, wie die schwedischen Werte aussahen und wovon selbige bedroht wurden. Unter anderem forderte er einen Einwanderungsstopp und die Wiedereinführung der Todesstrafe, die Schweden seit November 1910 nicht mehr verhängt hatte.
Vor ihm standen ungefähr fünfzig Gleichgesinnte und applaudierten. Und direkt hinter diesen standen eine junge zornige Frau und ihr Freund mit ihren noch eingepackten Plakaten. Sie hatten vor, ihre Gegendemonstration zu beginnen, sobald der Parteivorsitzende ausgeredet hatte, damit sie nicht von ihm übertönt werden konnten.
Nachdem er eine Weile geredet hatte, merkte Celestine, dass sie nicht nur enorm jung und zornig war, sondern auch ganz enorm pinkeln musste. Sie flüsterte Holger ins Ohr, dass sie sich nur kurz nach nebenan ins Kulturhaus verziehen musste, aber gleich wieder zurückkommen würde.
»Und dann werden wir’s diesen Typen so richtig besorgen«, sagte sie und küsste ihren Holger auf die Wange.
Leider war der Redner dann doch ziemlich schnell fertig mit dem, was er zu sagen hatte. Das Publikum begann sich in alle Windrichtungen zu zerstreuen. Holger 1 sah sich gezwungen, auf eigene Faust zu handeln, riss das Packpapier vom ersten Plakat und enthüllte die Aufschrift »Sverigedemokrater sind doof«. Eigentlich hätte er lieber »Schießt den König auf den Mond« gehabt, aber nun musste er sich eben mit dem begnügen, was er hatte. Außerdem war dieses Plakat ja Celestines Favorit.
Er hatte das Plakat noch keine fünf Sekunden hochgehalten, als es zwei jungen Anhängern der Sverigedemokrater ins Auge fiel. Erfreut waren sie nicht.
Obwohl beide Krankengeld bezogen, rannten sie auf Holger zu, rissen ihm das Plakat aus den Händen und versuchten es zu zerreißen. Als das nicht klappte, versuchte einer von ihnen, in das Plakat zu beißen, und trat damit den Beweis an, dass die Aussage auf dem Schild vielleicht doch nicht so weit von der Realität entfernt war.
Als auch das nicht zum gewünschten Erfolg führte, fing der zweite an, Holger mit eben diesem Plakat auf den Kopf zu dreschen, bis es in der Mitte durchbrach. Danach sprangen sie mit ihren schwarzen Stiefeln auf ihm herum, bis sie keine Lust mehr hatten. Der völlig kaputtgesprungene Holger blieb auf dem Boden liegen, hatte aber noch die Kraft, den Männern ein »Vive la République« zuzustöhnen. Die fühlten sich sofort wieder provoziert, auch wenn sie gar nicht verstanden hatten, was Holger gesagt hatte, aber irgendwas hatte der Kerl ja gesagt, und dafür verdiente er gleich noch eine Runde.
Als sie mit Misshandlung Nummer zwei fertig waren, beschlossen sie, das
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