Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)
Mann, der seitdem der Juwelier hieß, bekam vier Jahre in Hall, genauso viele wie sein Bruder. Danach flog der Bruder zurück nach Chile, während der Juwelier sein Geld damit verdiente, billigen Schmuck zu verkaufen, den er aus Bolivien importierte. Er hatte vor, so lange zu sparen, bis er eine Million beisammen hatte, und dann wollte er sich in Thailand zur Ruhe setzen. Auf den Märkten lernte er Nombeko kennen, nicht unbedingt näher, aber doch so weit, dass sie sich zunickten, wenn sie sich über den Weg liefen.
Das Problem war nur, dass die schwedischen Marktbesucher die Schönheit so eines bolivianischen Silberherzens aus Plastik anscheinend nie so recht zu schätzen wussten. Nachdem er sich zwei Jahre lang abgestrampelt hatte, wurde er von einer Depression befallen und fand, dass einfach alles nur noch Scheiße war (womit er ja im Grunde gar nicht so falsch lag). Auf der Jagd nach seiner Million war er bis hundertfünfundzwanzigtausend gekommen, aber jetzt konnte er einfach nicht mehr. Stattdessen fuhr er eines Samstagnachmittags in depressivem Zustand zur Trabrennbahn Solvalla und setzte sein gesamtes Vermögen auf eine Siebener-Einlauf-Systemwette, in der Absicht, alles zu verlieren und sich anschließend auf eine Parkbank im Humlegården zum Sterben hinzulegen.
Da geschah es tatsächlich, dass ein Pferd nach dem anderen genau das tat, was es sollte (obwohl es das noch nie zuvor getan hatte), und als die Rennen gelaufen waren, bekam ein einsamer Gewinner mit sieben Richtigen sechsunddreißig Komma sieben Millionen Kronen quittiert, von denen man ihm zweihunderttausend bar auf die Hand auszahlte.
Der Juwelier beschloss, dass er das mit dem Sterben auf einer Parkbank im Humlegården jetzt mal hübsch bleiben lassen würde. Stattdessen fuhr er ins Café Opera, um sich so richtig volllaufen zu lassen.
Das gelang ihm besser als erwartet. Am nächsten Nachmittag wachte er in der Suite des Hilton Hotel am Slussen auf, nackt bis auf Socken und Unterhose. Da er die Unterhose noch anhatte, war sein erster Gedanke, dass er letzte Nacht vielleicht doch nicht so viel Spaß gehabt hatte, wie es der Situation angemessen gewesen wäre, aber das konnte er nicht mit Bestimmtheit sagen, denn er hatte einen Filmriss.
Er ließ sich Frühstück aufs Zimmer bringen. Bei Rührei und Champagner entschied er, was er mit seinem Leben anfangen wollte. Die Idee mit Thailand verwarf er. Lieber wollte er in Schweden bleiben und noch einmal ein Geschäft in großem Stil aufziehen.
Der Juwelier wurde – Juwelier.
Aus reiner Bosheit kaufte er sich Geschäftsräume direkt neben dem Laden in Gnesta, in dem er damals gelernt hatte und dann überfallen worden war. Da Gnesta eben Gnesta ist und mit einem Juweliergeschäft im Grunde mehr als bedient, hatte der Juwelier nach nicht einmal einem halben Jahr seinen ehemaligen Chef aus dem Feld geschlagen. Das war übrigens derselbe, der beinahe die Polizei angerufen hätte, als Nombeko seinen Laden besucht hatte.
Eines schönen Tages im Mai 1994 traf der Juwelier auf seinem Weg ins Geschäft eine Schwarze vor der Bibliothek. Wo hatte er die bloß schon mal gesehen?
»Hallo, Juwelier!«, rief Nombeko. »Lange nicht gesehen. Wie geht’s dir denn so mittlerweile?«
Natürlich, das war doch die junge Frau, die immer mit diesem spinnerten Amerikaner unterwegs gewesen war und diesen drei Chinesenmädchen, mit denen gar nichts anzufangen war.
»Ach ja, danke«, sagte er. »Ich habe die bolivianischen Silberherzen aus Plastik gegen richtigen Schmuck getauscht, könnte man sagen. Ich bin jetzt Juwelier hier in der Stadt.«
Das fand Nombeko wirklich großartig. Schwuppdiwupp hatte sie jetzt also einen Kontakt in schwedischen Juwelierkreisen. Noch dazu einen, der die Gesetze nachweislich großzügig auslegte beziehungsweise einen Hang zur totalen Gesetzlosigkeit hatte.
»Das ist ja super«, sagte sie. »Dann muss ich dich wohl ab heute Herr Juwelier nennen, oder? Besteht vielleicht Interesse, ein oder zwei Geschäfte mit mir zu machen? Ich habe nämlich zufällig ein paar Rohdiamanten auf Lager, und die würde ich gern zu Geld machen.«
Aus dem lieben Gott wurde man auch nie so wirklich schlau, dachte der Juwelier. Da hatte er immer zu ihm gebetet, aber fast nie etwas zurückbekommen. Und dieser unglückselige Raub hätte seine Beziehungen zum Himmel ja wohl eher verschlechtern müssen. Stattdessen sorgte der Herr jetzt dafür, dass ihm die gebratenen Tauben in den Mund flogen.
»Mein Interesse
Weitere Kostenlose Bücher