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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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werden. Die Nobligan-Kapseln hatten nicht nur die Schmerzen in der Schulter beseitigt, sondern ihren Körper und Geist auch mit einer betäubenden Hülle umgeben. Sie schaute zu Stig hinüber, der gerade in sein Handy sprach und einen Termin verlegte. Sie wusste nicht genau, warum er sie unterstützte. Vermutlich war es der Journalist in ihm, der eine Riesenstory witterte, falls sich ihre Geschichte als wahr herausstellte. Die Story würde größer sein als jede andere, mit der er sich je beschäftigt hatte. So erklärte sich vermutlich auch, warum er Peik angerufen und sich erkundigt hatte, ob er außer Maja noch andere Menschen auf der Brücke gesehen habe. Peik hatte zögerlich bestätigt, dass da wohl ein Auto gewesen sei, kurz bevor sie Maja entdeckt hatten. Diese vage Aussage schien Stig ausreichend motiviert zu haben, Maja zu begleiten. In Wahrheit verletzte es sie, dass er Peiks Worten mehr zu glauben schien als ihren. Doch sie wollte daraus keine große Geschichte machen.
    Vor allem, weil sie ahnte, dass es noch andere, persönlichere Motive für Stig gab. Sie sah es in seinen Augen und an seinem Lächeln. Es war schön, ihn wieder um sich zu haben.
    Blindheims Wiedersehensfreude hielt sich hingegen in Grenzen, als sie in sein verrauchtes Büro marschierten. Offenbar sah er keinen Grund mehr, die Angelegenheit unnötig in die Länge zu ziehen, denn Maja hatte kaum Platz genommen, als er auch schon sein Notizbuch zückte. Der
Kommissar blätterte, bis er ihre Aussage aus dem Krankenhaus gefunden hatte, und bat sie, ihm noch einmal zu erzählen, was sich auf der Brücke zugetragen hatte.
    Maja berichtete erneut von dem Überfall, während Blindheim ihre Ausführungen offenbar mit seinen Notizen verglich. Abgesehen von dem Grunzen, das er hin und wieder ausstieß, bevor er mit einer Bemerkung oder Ergänzung kam, verhielt er sich vollkommen ruhig. Als sie ihre Zeugenaussage beendet hatte, blickte er auf.
    Â»War das alles?«
    Maja nickte. Sie war sich nicht sicher, ob ihre Aussage je eine andere Bedeutung haben würde, als Blindheims Notizbuch zu füllen, aber zumindest hatte sie jetzt offiziellen Charakter.
    Maja hatte weniger als eine Viertelstunde benötigt und wurde danach in einen kleineren Raum geführt, dessen karge Einrichtung aus zwei Bürostühlen, einem Diaprojektor und einer vergilbten Leinwand bestand.
    Ein Beamter gab ihr die Fernbedienung und zeigte ihr, wo sie die drücken musste, um sich das nächste Porträt aus der Verbrecherkartei anzugucken.
    Es enthielt nicht nur die Ganoven der Stadt, sondern Mörder und andere Gewalttäter aus ganz Vestland. Einbrecher, Betrüger und Pädophile waren zuvor aussortiert worden. Zurück blieben die potenziellen Täter. Doch sie zweifelte daran, dass die Männer, die sie überfallen hatten, hier zu finden sein würden. Dann schon eher in den Archiven von Kripos oder Interpol, was ihr zeigte, dass Blindheim die Sache immer noch unter Verschluss halten wollte. Sein Burggraben verlief exakt an der Grenze seines Landkreises entlang. Eine Regelung, die möglicherweise von seinen Vorgesetzten stammte, vom Kommissar und seinen Leuten aber loyal befolgt wurde.
    Maja ließ die grobkörnigen Porträts über die Leinwand
wandern. Jedes Mal, wenn sie auf den gelben Knopf der Fernbedienung drückte, schmerzte ihre Hand.
    Nach zirka fünfzig Fotos stieß sie auf ein bekanntes Gesicht. Sie ließ die Fernbedienung los, bis ihr klar wurde, wo sie es schon mal gesehen hatte. Es handelte sich um Rolf Vikse, den immer noch flüchtigen Häftling, dessen Foto in allen Zeitungen abgedruckt worden war.
    Â»War er dabei?«, fragte Stig, der hinter ihr saß.
    Maja schüttelte den Kopf und sah sich das nächste Bild an. Nachdem sie die ersten achtzig Fotos betrachtet hatte, ohne die beiden Männer von der Brücke zu entdecken, wurde sie müde und hatte zunehmend Schwierigkeiten, die einzelnen Gesichter voneinander zu unterscheiden. Sie waren alle wie Mitglieder einer großen Familie. Die Umstände, unter denen die Porträts entstanden waren, schufen eine Verbindung zwischen ihnen und ließen sie ähnlicher aussehen, als sie von Natur aus waren. Es war der gemeinsame Ausdruck des Widerstands in ihrem Blick, den sie direkt in die Kamera richteten. Von ihren Verbrechen, die sicherlich scheußlich waren, wusste Maja nichts, hatte aber

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