Die Anatomie des Todes
Maja plötzlich sehr unwirklich vor. Die Einsatzfahrzeuge am Fluss, Stigs Anwesenheit und Gustav P., der einen Film drehte, in dem die meisten Feuerwehrleute nur Statisten waren. Auch sie war Teil dieses Films, kannte allerdings ihre Rolle noch nicht.
Als der Korb eine Höhe von fünfzehn Metern erreicht hatte, wurde er über die Baumkronen geschwenkt. Die oberen Ãste zersplitterten, und Maja trat rasch einen Schritt zur Seite, um nicht von herabfallenden Ãsten und Zweigen getroffen zu werden.
Mit Hilfe der Kollegen auf der Erde gelang es dem Feuerwehrmann in dem Korb, eine Lücke zwischen den Bäumen zu finden. Sie war gerade breit genug, um die Leiter hindurchzuschieben und wieder ein bisschen abzusenken, damit der Winkel nicht so steil wurde. Langsam wurde die Leiter jetzt nach vorn ausgefahren, und die beiden Männer im Korb begannen ihre Reise über das Wasser. Modul auf Modul wurde ausgefahren, bis endlich das letzte Glied erreicht war. Als die Bremsen automatisch anschlugen, schwankte der Korb am Ende der schmalen Leiter bedrohlich
hin und her. Der Rettungsschwimmer warf ein Kletterseil mit einer Art Anker über den Rand des Korbs, das platschend im Wasser landete. Die Strömung riss es mit sich fort, bis es wie eine lange, gelbe Verbindungslinie zwischen dem Korb und der Wasseroberfläche stand. Als sich der Rettungsschwimmer mit einem Karabinerhaken am Seil einklinkte und aus dem Korb kletterte, erinnerte er Maja zu sehr an ihr eigenes Erlebnis auf der Brücke, als dass sie hätte zusehen können.
Als sie wenig später den Blick wieder nach vorn richtete, sah sie, dass der Rettungsschwimmer darum kämpfte, ein Seil um den Oberkörper des Toten zu binden. Wie er dort hing, am Ende der Leine über dem Fluss, sah er aus wie ein Köder an einer riesigen Angel. Kurz darauf gab er dem Feuerwehrmann im Korb ein Signal, worauf die Leiter nach oben ging, er mitsamt seiner Beute aus dem Wasser gezogen wurde und zappelnd in der Luft hing.
Während die Leiter jetzt Stück für Stück wieder eingezogen wurde, schwebten der Rettungsschwimmer und der Leichnam langsam dem Ufer entgegen. Einige seiner Kollegen standen schon bereit, um seine Last in Empfang zu nehmen. Sie bekamen das Kletterseil zu fassen und nahmen den Rettungsschwimmer sowie den Leichnam vom Haken. Der tote Körper fiel schwer zu Boden, Blindheim direkt vor die FüÃe. Der Kommissar betrachtete das zusammengesunkene Bündel, während er an seiner Pfeife zog und eine groÃe Rauchwolke ausstieÃ. Die Rettungsleute scharten sich um ihn. Maja versuchte vergeblich, durch den Wald an Uniformen zu spähen. Erst als sie in die Hocke ging, konnte sie durch die Vielzahl der schwarzen Stiefel einen Blick auf die Leiche werfen. Der Tote trug Jeans sowie einen dunkelroten Kapuzenpullover unter einer Lederweste. Entweder hatte der Mann seine Schuhe verloren oder er war nur mit weiÃen Tennissocken an den FüÃen in den Fluss gefallen.
Er schien eher ein Handwerker oder Rocker als ein Sportangler gewesen zu sein. Seinen KörpermaÃen nach zu urteilen bestand auch keine Ãhnlichkeit zwischen ihm und den Fotos von Rolf Vikse, die die Zeitungen veröffentlicht hatten. Vikse war klein und schmächtig, der Tote hingegen korpulent und ziemlich groÃ. Darüber hinaus waren seine dünnen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, während Vikse angeblich einen Stoppelschnitt hatte.
Maja beobachtete, wie Blindheim sich über die Leiche beugte. Er packte sie an der Schulter und drehte sie auf den Rücken. Der Anblick des zerschmetterten Gesichts lieà die Rettungsleute unwillkürlich einen Schritt zurückweichen. Der Tote hatte offenbar schon längere Zeit im Wasser gelegen. Sein ganzer Körper sowie der Kopf waren unnatürlich aufgedunsen, sodass sein Gesicht wie ein vollgesogener Badeschwamm aussah. Leere Augenhöhlen starrten Maja entgegen, die Augäpfel waren von den Fischen gefressen worden.
Trotz des Zustands des Toten und der Tatsache, dass sie ihn nie zuvor gesehen hatte, brauchte Maja seine Identifikation nicht abzuwarten. Sie wusste bereits, um wen es sich handelte, und hatte das eindeutige Gefühl, dass er nicht freiwillig in den Fluss gesprungen war.
Blindheim würde das Gebiet rasch absperren lassen, damit die Techniker mit der Spurensicherung beginnen konnten. Dennoch glaubte sie fest daran, dass sie hier am Ufer keine Spuren finden würden.
Maja
Weitere Kostenlose Bücher