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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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worden. Dann steckte sie ihren Zeigefinger in die Wunde, doch das Projektil saß zu tief, um es erreichen zu können. Stattdessen steckte sie vorsichtig das Probeprojektil hinein und maß das Kaliber, dessen Größe knapp über 45 lag. Sicher ein expandierendes Projektil.
    Sie untersuchte die Bauch- und Hinterpartie des Tieres. Als sie den linken Unterschenkel anhob, empfand sie beim Anblick der verstümmelten Seite eine leichte Übelkeit. Das
linke Bein hing nur noch an wenigen dünnen Sehnen und Hautlappen.
    Â»Der Hirsch wurde an zwei Stellen getroffen. Offenbar mit demselben Kaliber. Der erste Schuss hat das Tier wahrscheinlich bewegungsunfähig gemacht, der zweite, tödliche Schuss wurde aus naher Distanz in die Herzgegend abgegeben.«
    Sie blickte zu Linz auf und legte das Probeprojektil beiseite.
    Â»Was hat die innere Inspektion ergeben?« Linz drückte auf einen Knopf, worauf sich der Obduktionstisch langsam um die eigene Achse drehte. Sie hatte nicht die geringste Lust, einem Wildtier, das seit mehreren Tagen tot war, den Bauch aufzuschneiden. Andererseits war sie sich vollkommen darüber im Klaren, dass es genau das war, was Linz von ihr erwartete. Als sich der aufgedunsene Bauch des Tiers direkt vor ihr befand, blieb der Tisch stehen.
    Â»Ich bin nicht steril«, versuchte sie es.
    Â»Dann will ich heute mal ein Auge zudrücken.«
    Sie holte tief Luft. »Wenn Sie so freundlich wären.« Maja zeigte auf das größte der Sektionswerkzeuge, die auf dem Tisch lagen. Linz nahm das blitzende Messer und reichte es ihr galant mit dem Griff voraus.
    Â»Bitteschön.«
    Â»Danke«, entgegnete sie und wiegte die Stahlklinge deutschen Fabrikats in der Hand. Sie hatte sich für ein Messer mit langer Klinge entschieden, damit sie die Bauchhöhle mit zwei, drei langen Schnitten öffnen konnte.
    Dem Bauch des Tieres entwich ein zischendes Geräusch, als sie das Messer ansetzte. Der Gestank, der ihnen entgegenschlug, war unbeschreiblich. Sie hielt sich reflexartig den Arm vor die Nase, während die Därme und der Magensack sich in Form einer schwarzen Masse über den Tisch ergossen.

    Zum ersten Mal zeichnete sich auf den dünnen Lippen des Chefpathologen der Anflug eines Lächelns ab.
    Â»Kann die Frau Kollegin mir sagen, wie lange das Tier schon tot ist?«
    Ihr Zwerchfell zog sich krampfhaft zusammen, während Speichelfluss und Übelkeit zunahmen. Der Fäulnisgestank der Eingeweide schnürte ihr die Kehle zu und verschlug ihr regelrecht die Sprache.
    In diesem Moment schien Linz ein Einsehen zu haben, vielleicht war ihm der Gestank selbst zu viel geworden. Er schaltete die Absauganlage ein, worauf die Lüftungsschlitze des Tisches zu surren begannen.
    Â»Ohne dies präzisieren zu können, würde ich sagen, dass der Tod vor mehreren Tagen eingetreten ist.«
    Â»Würde ich auch sagen«, bestätigte Linz und setzte den Tisch erneut in Bewegung.
    Maja hatte das Gefühl, seinen makabren Test bestanden zu haben.
    Â»Könnte ich vielleicht einen Blick in den Obduktionsbericht zu Jo Lilleengen werfen?«
    Â»Warum?«
    Â»Weil mich die Umstände seines Todes interessieren.«
    Â»Das habe ich nicht gemeint.«
    Sie schaute ihn verwundert an, ehe er fortfuhr:
    Â»Warum haben Sie überhaupt eine Obduktion beantragt?«
    Es erstaunte sie, dass Linz ihren Namen auf dem Formular zur Kenntnis genommen hatte, das die Notwendigkeit einer Obduktion begründete.
    Â»Weil die Todesursache mir nicht eindeutig erschien.«
    Linz gab ein leises Schnauben von sich, ehe er den Tisch zum Stehen brachte.
    Â»So verhält sich jeder Praktikant, der es plötzlich mit einem Toten zu tun hat und auf seine Kosten kommen will.«

    Er begann, die verfärbten Eingeweide aus dem Tier herauszuziehen und in das Becken am Ende des Tischs zu befördern.
    Â»Die Polizei hat schließlich auch Ermittlungen eingeleitet«, verteidigte sich Maja.
    Â»Sie zwingen sie durch Ihr Verhalten ja dazu.«
    Linz drehte kopfschüttelnd den Wasserhahn auf und setzte die Entsorgungsanlage in Gang. Mit einem mahlenden Geräusch wurden die Eingeweide zu einem undefinierbaren Brei, der im Abfluss verschwand.
    Â»Es ist wohl immer ratsam, die Meinung eines Experten einzuholen.«
    Linz’ angesäuerte Miene zeigte ihr, dass er für Ihre Schmeicheleien nicht empfänglich war.
    Â»Aufgrund der neuen Gesundheitsverordnung

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