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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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dem Haus stand, begleitete sie ihn zur Wohnungstür. Plötzlich verspürte sie den unbändigen Drang, ihn zu küssen. »Stig?«
    Â»Ja?« Er schaute sie erwartungsvoll an.
    Â»Wenn man herausfinden will, ob kurz vor dem Mord an Kvam ein russisches Schiff den Hafen angelaufen hat, wo kann man sich da erkundigen?«
    Sein Lächeln erstarb. »Ich denke, beim Hafenamt.«
    Maja kratzte sich an der Nase. »Braucht man eine besondere Erlaubnis oder gute Beziehungen, um so etwas zu erfahren?«
    Â»Fünfzehn Kronen sollten ausreichen.«
    Das Taxi hupte ungeduldig.
    Â»Fünfzehn Kronen?«
    Â»Auf der letzten Seite der Vestposten findest du die Hafennachrichten. Da kannst du einfach nachgucken. Mach’s gut.«
    Stig lief die Stufen hinunter. Als sie kurz darauf hörte, wie sich das Taxi in Bewegung setzte, kam sie sich dort auf dem Treppenabsatz plötzlich unendlich verletzlich vor. Vor wenigen Minuten hatte sie sich noch gefragt, wie sie ihn loswerden konnte, doch jetzt hätte sie alles darum gegeben, sich an ihn zu schmiegen. Dieser Stig hatte etwas Merkwürdiges an sich. Maja hoffte, sich bald von ihm lösen zu können.

19
    Vor dem Haupteingang zur Bibliothek stand eine voluminöse Bronzestatue in Gestalt einer Galeere. Es war nicht zu entscheiden, ob die beiden Füllfederhalter die Masten darstellen sollten oder das Schiff durchbohrten.
    Maja hatte bereits am Vormittag bei der Vestposten angerufen und gefragt, ob es noch möglich sei, die Exemplare der vergangenen Wochen zu bestellen. Falls es um das letzte halbe Jahr ginge, erfuhr sie, könne sie auch einfach den Lesesaal der Stadtbibliothek am Edvard-Grieg-Vei aufsuchen.
    Â 
    Die trockene Luft des Lesesaals setzte sich in den Nebenhöhlen fest und erinnerte Maja sofort an ihre Studienzeit. Es war immer noch derselbe Geruch nach Linoleum, Automatenkakao und regennasser Kleidung, der sich vor den entscheidenden Prüfungen zunehmend mit Schweiß vermischte. Paukgestank hatten sie es damals genannt.
    Sie entdeckte rasch das sogenannte Archiv der Vestposten, das aus einigen roten Plastikkästen bestand, die an der Wand aufgereiht waren. In jedem dieser Kästen befanden sich die Ausgaben von jeweils zwei Monaten.
    In der Kiste, die ganz rechts stand, entdeckte sie die Exemplare, die in den Tagen um Kvams Tod erschienen waren. Zunächst musste sie überprüfen, welche Schiffe in den Wochen vor der Tat den Hafen angelaufen hatten. Dann würde sie wissen, ob ihre Theorie, dass der Täter hier zu suchen war, aufrechterhalten werden konnte. Sie trug die Kiste vorsichtig zu einem der Tische, nahm die einzelnen Ausgaben heraus und drehte sie um, sodass sie mit der letzten
Seite nach oben lagen. Die Rubrik Hafennachrichten befand sich zwischen Der Tag des Bürgermeisters  – einer Spalte, die über die offiziellen Termine des Bürgermeisters informierte  – und den Immobilienanzeigen. Die Hafennachrichten unterteilten sich in drei Abschnitte, die den drei Bereichen des Hafens entsprachen: dem Inneren und dem Äußeren Hafen sowie der Offshore-Werft. Die Namen der einzelnen Schiffe standen in Anführungszeichen, danach waren die Nationalität, der Schiffstyp sowie der momentane Status aufgeführt. Die knappen Beschreibungen erinnerten sie an die Schachnotizen in der Zeitung, die ihr Großvater stets genauestens verfolgte. Er hatte sie in diese geheime Wissenschaft eingeführt, und gemeinsam hatten sie die Kürzel dechiffriert und die großen Partien nachgespielt. Auf diese Weise lernte sie, sich in Gedanken mit mörderischen Königinnen und mächtigen Königen zu beschäftigen. Besonders spannende Partien gingen ihr manchmal tagelang nicht aus dem Kopf. Zweifellos hatte sie dadurch ihre Phantasie und ihr Vorstellungsvermögen geschult. In gewisser Weise lag es also an ihrem Großvater, dass sie auch jetzt das Laden und Löschen der Schiffe vor sich sah, während sie die Informationen überflog.
    Den Notizen nach zu urteilen, wurde der Hafen der Stadt stark frequentiert. In erster Linie wurde er von Fang-, aber auch von Frachtschiffen angelaufen, die den Westen des Landes mit verschiedensten Waren belieferten. Russisch klingende Schiffsnamen fielen ihr nur sporadisch auf. Maja wollte die Suche schon aufgeben, als sie auf einen Namen stieß, der ein wenig Hoffnung weckte. Es war das lettische Küstenmotorschiff Aina, das am Kai der

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