Die andere Seite des Glücks
ein paar Hektar Land und ein paar Kindern. Es hatte gut geklungen, und ich war dabei.
Aber nach der Hochzeit waren Henry und ich nach San Diego gezogen, angelockt von tollen Jobs in der Biotech-Industrie, und wohnten in einem pfirsichfarbenen Palast mit viel Stuck und guter Schnellstraßenanbindung inmitten hundert weiterer pfirsichfarbener Stuckpaläste. Wenn wir an unserem olympiatauglichen Pool in der geschlossenen Wohnanlage lagen, wurde gern gewitzelt, dass die Häuser so nah beieinander standen, dass man dem Nachbar das fehlende Salz für seine Margaritas durchs Badezimmerfenster zureichen konnte.
»In Montana können wir uns irgendwann zur Ruhe setzen«, hatte Henry gesagt. Während ich mich als Forschungsassistentin zunächst rumquälte und schließlich verkümmerte und danach sehnte, den weißen Laborkittel gegen die Daunenweste für den Wald einzutauschen, war Henry in seinem Element. Er liebte seine Arbeit als Biochemiker, die vielen unterschiedlichen Strände und das wenig unterschiedliche Wetter, er liebte unser minimalistisch möbliertes Haus und den fabrikneuen SUV , der kein einziges Mal befestigte Straßen verließ, um einen Bergweg hinaufzufahren, ja nicht einmal Kinder zum Fußballspielen wegbrachte.
Dann kamen all die Fehlgeburten, all das Elend, bis wir uns schließlich nur noch von den gegenüberliegenden Enden des langen, leeren Esszimmertischs aus anstarrten. Henry bestand darauf, dass wir uns beide einen Anwalt nahmen. Eine Anwältin sagte zu mir: »Wenigstens haben Sie keine Kinder.« Ich starrte sie an, sah zu, wie sie eine Fussel vom Ärmel ihres teuren Blazers las und die Arme auf dem Schreibtisch verschränkte. »Sie hätten für immer mit ihm zu tun, müssten sich mit ihm auseinandersetzen und dann mit der Stiefmutter, wenn er wieder heiratet … was alle Männer tun. Sofort. Männer wollen vorm Alleinerziehen gerettet werden, und Frauen wollen sie retten.« Sie zog ihre perfekt gezupfte Augenbraue hoch, ihren persönlichen Triumphbogen. »Es ist ein Albtraum. Das Beste, was man erhoffen kann, ist, dass die Stiefmutter die Kinder toleriert.« Sie zuckte die Schultern. »Es gibt nur wenige Menschen, die ein Kind so lieben können wie die leiblichen Eltern. Schätzen Sie sich glücklich.«
Henrys Treffen mit seinem Anwalt war genauso schlimm verlaufen, und wir beschlossen, die Anwälte aus dem Spiel zu lassen und unsere Trennung selbst zu regeln. Ich hatte lange nicht mehr an die Anwältin gedacht, wie sehr ihre Äußerungen mir damals zugesetzt hatten, und jetzt quälten sie mich erneut – aus dem entgegengesetzten Grund.
Gwen Altermans Büro erstreckte sich fast über den ganzen dritten Stock des Backsteingebäudes in der Innenstadt von Santa Rosa. Sie war älter, als sie am Telefon geklungen hatte, etwa Anfang fünfzig, und größer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Als mein Blick auf die Fotos von ihr, ihrem Mann und ihren Kindern fiel, wollte ich sie fragen, ob sie die Stiefmutter oder die leibliche Mutter war, verkniff es mir aber. Ich erzählte ihr meine Geschichte, während sie ein Sandwich aß, wobei sie mir eine Kleenex-Box reichte, die ich dankbar akzeptierte. Die Uhr lief, und so redete ich weiter, obwohl mir die Tränen über die Wangen rollten, entschuldigte mich, putzte mir die Nase, sagte alles, was mir einfiel, auch dass ich kein Geld hatte. Sie machte sich Notizen und nickte, und einmal schob sie den Arm über den Tisch und tätschelte meine Hand.
»So«, sagte sie, nachdem ich ihr die Gerichtspapiere und Joes Scheidungsunterlagen gegeben hatte. »Man hat Ihnen einen Schlag versetzt. Einen schweren Schlag. Darf ich fragen, ob Sie jemals als Vormund der Kinder eingesetzt wurden? Für den Fall, dass Ihrem Ehemann etwas zustößt?«
»Nein … nein. Wir hatten darüber gesprochen, aber es nie in die Wege geleitet. Weil wir dann Paige hätten informieren müssen … außerdem sah es nicht so aus, als würde sie jemals zurückkommen.«
»Ich verstehe. Das ist wirklich Pech. Aber wenn es einen Gott in dieser Welt gibt, dürfte diese Frau keine Chance haben. Richter stehen Müttern, die ihre Kinder verlassen haben, gewöhnlich nicht wohlwollend gegenüber.« Sie nahm die Brille, die an einer Kette auf ihrer stattlichen Brust hing, setzte sie auf die Nase und überflog die Papiere. Währenddessen betrachtete ich die Familienfotos und sah in allen drei Kindern unzweifelhaft die Ähnlichkeit zwischen ihr und ihrem Mann. Keine kaputte und neu zusammengesetzte
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