Die andere Seite des Glücks
das. Sie zeigen uns eine liebende, aber emotional verwirrte junge Mutter, die glaubte, mit ihrem Weggang im besten Interesse ihrer Kinder zu handeln. Was auch sehr wohl der Fall sein könnte. Ich muss sagen, ich bin bestürzt, dass der inzwischen verstorbene Vater nicht versucht hat, gemeinsam mit der Mutter eine Lösung zu finden, sie wieder mit ihren Kindern zusammenzubringen. Man muss sich fragen, welche Rolle die Stiefmutter dabei gespielt hat. Ich werde ein Sorgerechtsgutachten beantragen und abwarten, wie das ausfällt. Danach wird die Verhandlung fortgesetzt. Aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, wohin ich tendiere: Was das jüngere Kind betrifft, ist Ms Beene die Mutterfigur, hinsichtlich des älteren ist es Ms Capozzi. Und vielleicht sollte diese Sorgerechtssituation auch entsprechend gehandhabt werden.«
Ich nahm Gwens Stift und schrieb
NEIN !!
auf ihren Aktendeckel.
Sie erhob sich. »Euer Ehren, bevor wir mit langwierigen Untersuchungen beginnen, könnten wir vielleicht erst einmal mit unserer jeweiligen Klientin sprechen?«
Gwen und ich saßen im Anwaltszimmer. »Sie können nicht getrennt werden«, stieß ich zwischen den Zähnen hervor.
»Also dieser Richter reagiert so übertrieben, das ist schon lächerlich. Vielleicht spielt er sich nur auf. Es passiert wirklich nicht oft, dass Richter Kinder auseinanderreißen«, erwiderte Gwen.
»Aber das hat er angedeutet. Das Risiko kann ich nicht eingehen. Was geht hier vor?«
»Hören Sie, so schnell passiert das nicht. Er hat nur laut nachgedacht. Zuerst einmal gibt es eine Untersuchung. Man wird sich alles genau ansehen, alle werden befragt. Bereiten Sie sich auf sehr intensive – und kostspielige – sechs Monate vor.«
»Geld ist mir egal. Das kriege ich zusammen. Aber die ganze Sache setzt allen furchtbar zu. Marcella … ich glaube nicht, dass sie und Joe senior das noch lange durchhalten. Aber für Annie und Zach wird es am allerschlimmsten.«
»Zumal bis jetzt nur an der Oberfläche gekratzt wurde, und das ist nichts im Vergleich zu der Untersuchung, die auf uns zukommt. Ella, im Moment bietet Paige Ihnen das gemeinsame Sorgerecht an. Wir können auch beantragen, dass das Verfahren zum Ruhen kommt, das Gericht die Zuständigkeit behält und das Verfahren jederzeit wieder aufgerufen werden kann, wenn eine der Parteien eine Änderung will.«
»Aber die Kinder würden bei Paige leben?«
Gwen nickte. »Wenn es zur Verhandlung kommt, könnte der Richter ihr das alleinige Sorgerecht zusprechen, und Sie gehen leer aus – dann bekommen Sie nicht einmal Besuchsrechte. Was durchaus möglich ist. Stiefeltern haben gewöhnlich keine Rechte, wenn es ums Sorgerecht geht.« Sie beugte sich über den Tisch. »Es sei denn, Sie können beweisen, dass sie die Kinder vernachlässigt. Ella, im günstigsten Fall bekommen Sie Zach, aber nicht Annie.«
Wie konnte das alles nur passieren?
Die Briefe waren passiert!
»Gwen, was würden Sie tun, wenn es Ihre Kinder wären?«
Sie legte mir die Hand auf den Arm. »Gemeinsames Sorgerecht. Ich würde ihrem Einigungsvorschlag zustimmen. Das ist wahrscheinlich das Beste, was wir momentan erreichen können. Okay?«
Ich nickte, doch ich konnte das Wort Ja nicht sagen.
Als sie ging, um die Papiere aufzusetzen, blieb ich zurück im Zimmer, das Gesicht in den Händen vergraben. Ich wollte nicht mit Joe senior, Marcella oder David reden. Ich hatte versucht, das Richtige zu tun, und stattdessen alle, die ich liebte, vor den Kopf gestoßen.
29. Kapitel
Lizzie öffnete die Haustür und umarmte mich. »Frank hat angerufen. Du hast etwas wirklich Erstaunliches getan.«
Ich bekam keinen Ton heraus, schüttelte nur den Kopf und hörte Zach »Mommy ist da! Mommymommymommy« rufen. Er kam angelaufen, in der Hand einen Plüsch-Tyrannosaurus-Rex im Hawaiishirt, und ich nahm ihn auf den Arm und weinte nicht. Lizzie wandte den Blick ab. Annie kam und schob ihre Hand in meine Gürtelschlaufe. Und ich weinte nicht.
Ich dankte Lizzie, die Kinder dankten Lizzie, und wir fuhren die vier Blocks nach Hause. Ich wusste nicht, wie ich es ihnen sagen sollte. Die Realität umkreiste uns wie ein Hai, der uns schon bald bei lebendigem Leibe fressen würde.
Ich wollte nicht, dass Annie sich aus den leisen Worten, die sie von meinen nächtlichen Telefongesprächen mitbekam, irgendetwas zusammenreimte. Doch genauso wenig wollte ich, dass Paige es ihr als Erste erzählte. Gwen hatte beim Richter darauf bestanden, dass ich es den Kindern sagte,
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