Die andere Seite des Glücks
Rücken zugedreht. Zach hielt seinen Bubby an sich gedrückt und seinen Thomas-die-kleine-Lokomotive-Koffer in der Hand. Er hatte darauf bestanden, die zum Koffer passenden Thomas-Pantoffeln zu tragen, und ich hatte es nicht übers Herz gebracht, es ihm zu verbieten – das war das mindeste, was ich ihm geben konnte.
Doch jetzt drehte Marcella sich um, kam zu mir und sagte: »Du ziehst ihm Schuhe an. Sofort.«
»Marcella. Er will die Pantoffeln tragen. Das ist das Einzige, worum er gebeten hat. Lass uns unseren Kampf ohne die Kinder austragen.«
»Was weißt du schon, was es heißt zu kämpfen? Du gibst einfach nur nach. Sonst tust du nichts.« Sie drehte sich um.
Annie trug Birkenstocks und Jeans, nicht das Kleid und die Lackschuhe, die sie unbedingt bei Paiges erstem Besuch anziehen wollte. Ich berührte ihren Zeh mit meinem, der in dem gleichen Birkenstockmodell steckte, und hielt ihnen dann die Fliegengittertür auf. Ich nahm sie rechts und links an der Hand und ging mit ihnen die Veranda hinunter und über den Kies. Noch immer hoffte ich, dass irgendeine Gottheit oder Naturmacht eingreifen und rufen würde:
Halt, das war nur eine Prüfung, wie damals bei Abraham und Isaak in der Bibel, aber vergiss das Ganze, dreh dich um, nimm sie mit zurück ins Haus, es ist vorbei
. Ich konzentrierte meine ganze Energie darauf, nichts zu fühlen, nicht zu weinen, nicht Paige anzusehen, nicht dem Wunsch nachzugeben, die Kinder in den Jeep zu packen und mit ihnen nach Kanada oder Mexiko abzuhauen.
Callie folgte uns und kreiste um Paiges Mietwagen, während der Rest der Familie auf der Veranda stand. Annies Schultern erbebten bei dem stummen Versuch, nicht zu weinen, doch als Zach ihr verknittertes Gesicht sah, heulte er los. »Sie werden sich beruhigen! Wir müssen einfach nur weg!«, schrie Paige über sein Gebrüll hinweg.
Du hast ja keine Ahnung
, wollte ich sagen, doch tat es nicht. Ich schnallte die Kinder in ihren Sitzen fest, wie ich es immer machte, ich küsste sie und drückte sie und wischte ihre Tränen und laufenden Nasen mit dem Ärmel ab. Ich sagte ihnen, dass ich sie schon bald wiedersehen und sie heute Abend anrufen würde.
Paige und ich hoben kaum merklich die Hand. Sie ließ den Wagen an. Zach schrie jetzt: »Ich … will … meine … MOMMY «, immer und immer wieder, und wir standen stumm winkend da, lauschten seinem Schreien, das leiser und leiser wurde, und schließlich waren Zach und Annie verschwunden.
Nach und nach kamen alle die Veranda herunter. Frank und Lizzie und Lucy boten an zu bleiben, doch ich schüttelte nur den Kopf. Joe senior wandte sich mir zu und stieß zwischen zuckenden Lippen hervor: »Wenigstens die Schuhe hättest du Zach anziehen können. Kein Mann sollte seine Familie in Hausschuhen verlassen.« Ich wusste nicht, warum die Schuhe so wichtig waren, das schien mir momentan die geringste Sorge. David umarmte mich flüchtig, mit einem Klaps auf den Rücken – nichts im Vergleich zu den herzlichen Umarmungen, die wir sonst austauschten. »Nimm dir eine Auszeit im Laden, wir kümmern uns darum«, sagte er. Ich wusste, dass auch sie eine Auszeit von mir brauchten. Marcella ging, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Sobald alle weg waren, flüchtete ich ins Kinderzimmer. Callie trottete hinter mir her. Ich schloss die Tür hinter uns, warf mich auf Annies Bett und vergrub das Gesicht in ihrem duftenden Kissen. Ich heulte hemmungslos, wie Zach, fühlte den Schmerz seiner Schreie, den ich nicht lindern konnte, in meinem eigenen Körper wüten. Callie kläffte, als litte auch sie. Die Tränen kamen tief aus meinem Innersten, ich war ihnen machtlos ausgeliefert und konnte nicht aufhören zu weinen. Dreimal wählte ich Paiges Handynummer, doch sie nahm nicht ab.
Callies Bellen, gefolgt von einem heftigen Klopfen an der Haustür, weckte mich. Desorientiert tastete ich nach meinem Wecker, der nicht an seinem üblichen Platz war, dann fiel mir ein, dass ich in Annies Bett lag. Ich hatte noch immer meine Kleider an, und jetzt erinnerte ich mich auch, warum. Das Klopfen ging unvermindert weiter, und während ich aus dem Bett stieg, erlaubte ich mir die Phantasie, Paige wäre mit Annie und Zach zurückgekommen, um mir zu sagen, dass sie einen furchtbaren Fehler gemacht habe. Doch es war bloß der Zusteller von UPS mit einem Paket für die Kinder, das Paige vor einer Woche abgeschickt hatte. Anstatt es anzunehmen, strich ich die Adresse durch und schrieb
Zurück an Absender
drauf.
Paige
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