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Die Anfänge meiner Welt

Die Anfänge meiner Welt

Titel: Die Anfänge meiner Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Sage
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besonders die
kinderreichen, dachten genauso; sie fanden es zwar schrecklich in der Klinik,
aber es war eine wunderbare Gelegenheit, einmal einfach nur im Bett zu liegen.
Ich aber wollte so schnell wie möglich weg. Ich war jetzt eine Woche da, die
Wunde heilte, ich hatte schon ein Bad in heißem Salzwasser nehmen dürfen, es
konnte also nicht mehr lange dauern. Doch plötzlich stieg meine Temperatur
rapide an. Ich hatte eine Infektion.
    Nach einigen fiebrigen Tagen,
in denen ich zunehmend frustriert war, weil ich weder lernen — wir füttern
unsere Babys nicht mit Büchern — noch schlafen, noch nachts lesen konnte, weil
meine Lampe die anderen Patientinnen wach gehalten hätte, kam eine
Nachtschwester, die ich noch nie gesehen hatte und später auch nie wiedersah,
wie eine gute Fee an mein Bett und sagte, ich solle mir keine Sorgen machen,
sie sei auch verheiratet und habe Kinder, es gehe eben doch. Nur nicht nach den
Regeln, die bei Tageslicht gälten (man ließ sie nur nachts arbeiten). Ich müsse
hier raus. Am nächsten Morgen nahm ich allen Mut zusammen, versuchte ruhig zu
bleiben und sagte der Tagschwester, wenn man mich nicht entlasse, würde ich
mich selbst entlassen. Sie ging, um sich mit der Oberschwester zu beraten, und
kam in Kampfstimmung zurück. Das sei unmöglich, sagte sie, ich sei ja noch
minderjährig. Das sei sehr wohl möglich, gab ich zurück, ich sei schließlich
verheiratet. Trotzdem, meinte sie, es gehe mir nicht gut genug, ich hätte eine
Infektion. Und wo hab ich mir die geholt? fragte ich höhnisch. In diesem
gräßlichen Krankenhaus. Zu Hause wäre ich besser dran. »Wenn Sie jetzt gehen«,
rief sie, »dann sterben Sie!« Sie war wütend, aber ich war noch wütender. »Das
wär mir immer noch lieber!« schrie ich zurück, worauf sie auf dem Absatz
kehrtmachte und hinausmarschierte.
    Die weisen Frauen lachten und
schüttelten den Kopf: Du solltest sie nicht so gegen dich aufbringen, da ziehst
du nur den kürzeren. Ich war erschüttert und zugleich hoch erfreut. Noch nie
hatte ich einen solchen Krach mit jemandem gehabt, der nicht zur Familie
gehörte, noch dazu in aller Öffentlichkeit. Als Vic und mein Vater kamen,
erzählte ich ihnen davon. Mein Vater meinte, die wüßten es doch bestimmt am
besten, und Vic war hin- und hergerissen, weil er nicht glauben konnte, daß man
mir sagte, ich sei in großer Gefahr, wenn es nicht wirklich so war. Er wollte
mir nicht versprechen, meine Kleider hereinzuschmuggeln. Aber das war mir egal.
Ich hatte ein Nachthemd, das halbwegs wie ein Kleid aussah, meine Hausschuhe
würden es auch tun, und so hatte ich beschlossen, daß ich, wenn man mich nicht
am nächsten Tag die Papiere unterschreiben ließ, durch das Badezimmerfenster
hinausklettern, über die Wiesen laufen und per Anhalter nach Shrewsbury fahren
würde. Meine Tochter würde es bei den Friseusen gut haben, bis wir sie abholen
konnten. Ich hatte mir schon heimlich die Haare im Waschbecken gewaschen und
ließ sie gerade trocknen, als mir eine Schwester (ohne mich anzusehen)
mitteilte, daß man mich mit einem Rezept für Antibiotika entlassen werde und
daß die Oberschwester bereits meinen Vater angerufen habe. Ich könne gehen.

    Bei meiner Entlassung machten
sie ein großes Getue um meine Tochter und sagten zu Vic, was für ein Jammer es
sei, daß ihre schönen blonden Haare alle ausfallen würden, das sei immer so.
(Sie fielen nicht aus.) Sunnyside sah wunderschön aus; während meiner Abwesenheit
waren die sparrigen Rhododendren erblüht, weiß, scharlachrot, lila und rosa.
»Ich weiß, daß nie Natur ein Herz betrog, / Das ihr in Liebe huldigt...« Unsinn
natürlich, aber schöner Unsinn. Jetzt würde ich doch noch rechtzeitig kommen,
um die Zeilen zu zitieren. Es war ohne Frage wesentlich leichter, von einem
Kind entbunden zu werden als von dem dazugehörigen mythologischen Ballast. Von
jetzt an würde ich meine Freunde zählen und mich zur Wehr setzen müssen. Im
Moment war ich zwar noch etwas wackelig auf den Beinen, und die Antibiotika
hatten die Verdauung meiner Tochter durcheinandergebracht, aber meine Infektion
war bald vorbei und die damit einhergehenden Blähungen auch. Grandma begrüßte
mich, als sei ich aus dem Jenseits wiedergekehrt.

 
     
     
    18

Achtzehn
     
     
     
     
    Als ich meiner Mutter das Baby
in die Arme legte, gab sie es mir postwendend zurück und sagte, sie habe Angst,
es fallen zu lassen. Sie war erst zweiundvierzig und hätte selbst noch Kinder
bekommen

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