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Die Anfänge meiner Welt

Die Anfänge meiner Welt

Titel: Die Anfänge meiner Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Sage
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Lichtinsel ganz für mich allein. Wenn ich mitten in der Nacht
auf die Landschaft hinausblickte, wo nicht ein einziges Licht brannte, dachte
ich an seine magischen Worte und übte mich darin, mit mir selbst zufrieden zu
sein.
    Nach und nach veränderte sich
das Innere des auf die Musterfamilie der fünfziger Jahre zugeschnittenen Hauses
und nahm einen Hauch von Pfarrhaus an. Als Clive soweit war, daß er wieder in
sein Zimmer mit den bunten Vorhängen gekonnt hätte, war es von Grandma besetzt,
und er mußte bei mir einziehen und sich daran gewöhnen, bei Licht zu schlafen.
Die behördliche Verschwörung gegen die Unordnung brach angesichts unseres
improvisierten Schichtsystems zusammen. Wir saßen nie gemeinsam in dem offenen
Wohnzimmer, wir aßen nie alle gleichzeitig, und so wurde der Tisch nur an einem
Ende gedeckt, der Rest war Haushaltsbüchern, Hausaufgaben und Aufzieh-Rennautos
vorbehalten. Nachts blieb Grandma lange auf und hatte den ganzen Platz für sich
allein, während ich oben im Morgengrauen über meinem Buch einschlief, gerade
rechtzeitig, bevor meine Mutter hereinkam, die Vorhänge aufzog und vor den
dicken Nachtfaltern zurückschauderte, die meine Lampe angelockt hatte.
    Die Atmosphäre im Haus war nach
wie vor gespannt. Niemand hatte genug Privatsphäre, schon gar nicht meine
Eltern, die all die Kriegsjahre der Trennung wettmachen mußten. Nach dem Umzug
hatte sich alles um Clive gedreht, doch als er wieder gesund war und in die
Schule kam, wandten sich die beiden wieder einander zu. An dem Tag, als ich sie
zum erstenmal so sah, durch den von mir selbst erzeugten Nebel, waren gerade
die Ergebnisse der Prüfung für die höhere Schule herausgekommen. Mr. Palmer schickte
mich mitten am Vormittag mit der Neuigkeit nach Hause, und als ich dort ankam,
saßen mein Vater und meine Mutter allein im Wohnzimmer, am Hausaufgabenende des
Tisches. Das war ganz und gar ungewöhnlich, mein Vater kam nie tagsüber nach
Hause, aber nun saß er da, in seiner alten Armeejacke, den Arm um ihre
Schultern, und sie hatte geweint. Ich platzte mitten in eine geheime Krise
hinein. Sie war krank geworden, der Arzt war dagewesen (wie oft sprachen
Krankheiten für uns!), jetzt ging es ihr wieder gut, sie hatte geglaubt, nicht
mehr schlucken zu können, irgend etwas sei ihr im Hals steckengeblieben, aber
es waren nur die Nerven... Gegen diese glückliche Wendung kam ich mit meiner
Neuigkeit nicht an. Einen Moment lang sah ich die beiden einfach als zwei Menschen,
als das Paar, das sie ohne uns gewesen wären — Fremde, die auf dieser zugigen
Anhöhe ihr Lager aufgeschlagen hatten und sich ein neues Leben aufzubauen
versuchten.

Eine anständige Ehe
     
     
     
     
    Wie für viele Paare, die
während des Krieges geheiratet hatten, war es auch für meine Eltern schwierig,
den Frieden zu bewältigen. Nicht weil sie festgestellt hätten, daß sie sich
nicht mehr liebten, seit ihrer Beziehung die Würze ständiger Trennungen und des
drohenden Todes fehlte. Keineswegs. Aber ihre Verbindung war gesellschaftlich
so ungewöhnlich, daß sie sich unsicher, angespannt und bedrängt fühlten, als
müßte zwangsläufig etwas schiefgehen. Ihre Familien hatten etwas gegen diese
Ehe, und das Dorf auch. Hanmer lebte noch in den Zeiten, als die meisten
Verlobungen — genaugenommen zwischen Erbschaften, Grundbesitz, benachbarten
Äckern oder zumindest einer Gesindewohnung und einem Teeservice geschlossen
wurden oder auch zwischen entfernten Vettern und Kusinen. Der
mythisch-egalitäre Geist des Blitzkriegs — der deutschen Luftangriffe auf
englische Städte — erreichte Hanmer nur gerüchteweise, ähnlich dem Dröhnen
eines Bombers, der bei der Rückkehr von einem Angriff auf die Docks von
Liverpool ein wenig vom Kurs abgekommen ist. Eine Ehe zwischen der Tochter des
Pfarrers und dem Sohn des Transportunternehmers, der schwarzgesichtig seine
Touren fuhr (Stockton & Sons beförderten vor dem Krieg hauptsächlich
Kohle), brachte Sitte und Anstand in Gefahr. Man sollte meinen, das hätte sich
geändert, als der Spediteurssohn, der als einfacher Soldat in den Krieg gezogen
war, als Hauptmann heimkehrte. Man hätte die Geschichte meiner Eltern auch als
das Märchen vom triumphalen Aufstieg des anständigen Dorfjungen und
nachgeborenen Sohnes lesen können, der sein Glück macht. Er verliebt sich in
eine verträumte Jungfrau, die ganz im Bann ihres ruchlosen Vaters steht, er
geht fort, verdient sich in der Normandie und den Ardennen die Sporen und

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