Die Anfänge meiner Welt
brüllte er jeden Abend seine Anweisungen in den
Hörer, für Albert, den gleichmütigen, loyalen inneren Feind, und verlangte eine direkte Antwort auf eine direkte Frage. Die er zum Glück nie bekam, so
daß ihm sein Realismus erhalten blieb.
Er trug Schnürstiefel und einen
braunen Overall über Hemd und Hose, wenn er mit dem Laster zum Markt fuhr oder
unter die Motorhaube kroch (was fast täglich der Fall war), und kam, mit
Motoröl und Mist verschmiert, zurück. Zu Hause war klar, daß alles Praktische
sein Ressort war: Ein richtiger Mann arbeitet außer Haus.
Vielleicht aus Rücksicht auf
diesen Standpunkt hatte meine Mutter jetzt, da sie ein Haus für sich hatten,
das Radfahren verlernt. Sie erzählte von ihren Radtouren vor dem Krieg (als sie
so sexy durch Grandpas geheimes Tagebuch geflitzt war), als hätten sie auf
einem anderen Planeten stattgefunden, und war stolz darauf, daß sie noch
hochschwanger (mit mir) zum Bahnhof nach Bettisfield geradelt war, um den Zug
nach Ellesmere zu erreichen, wo sie als Büroangestellte im Ernährungsamt
arbeitete. Man konnte sich das gar nicht mehr vorstellen, so ängstlich war sie
geworden. Doch kaum jemand wunderte sich über ihre neue Hilflosigkeit, denn
damals wurden verheiratete Frauen, nachdem man sie in Massen wieder nach Hause
geschickt hatte, auf jede erdenkliche Weise ermuntert, auch dort zu bleiben —
erst demobilisiert, dann immobilisiert. In der Welt draußen zu arbeiten war
etwas für Königinnen und die Ärmsten der Armen, höchstens noch für Filmstars,
aber auch die mußten so tun, als wären sie viel lieber Heimchen am Herd.
Die erworbene Untüchtigkeit
meiner Mutter entsprach diesem Nachkriegsideal. Sie bemühte sich zwar redlich,
eine gute Hausfrau zu sein, aber mit wenig Erfolg. Wie wenig, stellte sich erst
heraus, als wir in die Siedlung gezogen waren, denn der Pfarrhausschlendrian
war tief verwurzelt. Daß sie auf den alteingesessenen Schmutz und die Unordnung
im Pfarrhaus groß Eindruck machte, hatte niemand von ihr erwartet; in »ihrem«
nagelneuen, hellen Haus mit seinen abwaschbaren Flächen aber (sogar die
Fenstersimse waren gefliest) saß sie ganz schrecklich auf dem Präsentierteller.
Der Werbung, den Sozialpsychologen und den Planern der Siedlung zufolge war die
Hausarbeit ihre Berufung. Sie war auf diesem Gebiet eine begnadete Pfuscherin.
Mein Vater schrie sie wegen des
heillosen Durcheinanders bei uns niemals an; er nahm es nicht nur ohne Murren
hin, es bereitete ihm sogar eine liebevolle Genugtuung. Denn er war ihr
Beschützer; Er hatte sie gerettet, und daß sie nicht in der Lage war, sich in
The Arowry 4 ihr eigenes Reich zu schaffen, machte ihre Abhängigkeit
vollkommen. So manche perfekte Hausfrau in Hanmer mochte ihren Mann ermahnen,
»den frischgewischten Boden« nicht schmutzig zu machen — meine Mutter nie. Sie
beklagte sich zwar über die Erdklumpen, die wir mit unseren Stiefeln
hereintrugen, aber das war nur ein Ritual; sie war nun einmal zum Putzen
verurteilt, auch wenn sie damit nichts ausrichtete. Vor neugierigen Blicken
schützte sie ihre Schwelle. Nachbarinnen kamen ihr nicht ins Haus, so wenig wie
deren Töchter, die sie verdächtigte, einer fünften Kolonne von
Haushaltsspitzeln anzugehören, die dann nach Hause laufen und ihren Müttern
erzählen würden, daß bei uns hinter dem Sofa nicht saubergemacht wurde.
Zugleich aber verachtete sie
Frauen, die das taten. Einen Putzlumpen mit Überzeugung auszuwringen war —
ähnlich wie durchstochene Ohrläppchen — Ausdruck eines schlichten Charakters.
Genauso verwünschte sie auch das Kochen. Eßt oder laßt es bleiben, sagte sie,
wenn sie an einem Ende des Tisches die Teller vor uns hinstellte; am liebsten
wäre es ihr gewesen, wir hätten uns von Pillen ernähren können. Anfangs gab es
meist Eintopf, graue, undefinierbare Fleischbrocken und Karotten- und
Rübenstücke in Salzwasser, auf dem gelbe Fettaugen schwammen. Eintopf bekamen
wir auch in der Schule, er war also — vom Gewürz ihres Abscheus abgesehen —
nichts Besonderes. Doch als die Zeiten der Lebensmittelrationierung zu Ende
gingen und man für das Sonntagsessen wieder Lamm oder sogar ein Huhn kaufen
konnte (ein Brathuhn war damals ein rarer Vogel), wuchs ihre Angst vor dem
Kochen ins Unermeßliche. Jede Art von Fleisch mußte erst durch Dünsten oder stundenlanges
Braten in einem See aus spritzendem Fett entschärft werden, und selbst dann war
es noch voller Knorpel und Knochensplitter, an denen man
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