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Die Anfänge meiner Welt

Die Anfänge meiner Welt

Titel: Die Anfänge meiner Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Sage
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kommt
zurück, um sie aus dem öden, lasterhaften Pfarrhaus zu befreien und in die
Gefilde des wirklichen Lebens zu entführen, in die Tugendhaftigkeit, Ordnung
und taghelle Ehrbarkeit einer anständigen Ehe mit wohlgeratenen Kindern. In
gewisser Weise sahen sie es wohl selbst so. Doch in Hanmer dachte man anders
darüber.

    Es war schon schlimm genug, daß
meine Eltern als Jugendliche in den dreißiger Jahren miteinander gegangen
waren. (Es muß etwa ein Jahr nach der Marj-Episode gewesen sein; Grandma und
Grandpa waren zu sehr in ihre Streitereien vertieft, um darauf zu achten.) Wenn
sie bis in die frühen Morgenstunden in einem Auto saßen, das er sich von irgend
jemandem geliehen hatte, so war das nur ein weiterer skandalöser Beweis dafür,
daß meine Großeltern sich nicht tun die guten Sitten scherten. Daß diese jungen
Leute, Valma und Eric, die Zustände im Pfarrhaus selbst verurteilten und
standhaft keusch waren, tat nichts zur Sache; es hätte sie — wenn der
Dorfklatsch es geglaubt hätte — noch zusätzlich zu Außenseitern gestempelt. Und
die militärische Laufbahn meines Vaters machte das Ganze noch unmöglicher. Den
Ehrgeiz und die Tatkraft, die ihn nach Sandhurst führten — wo er verwundert
feststellte, daß die besseren Leute keineswegs klüger waren — , beäugte man in
Hanmer mit Argwohn, wie übrigens kriegerische Tugenden generell, denn Hanmer
war weitgehend ein Dorf von Zivilisten, und wer das Pech hatte, einberufen zu
werden, zog den Kopf ein, blödelte mit seinen Kameraden herum und wartete, bis
alles vorbei war.

    So hatte es auch Albert, der
ältere Bruder meines Vaters, in Nordafrika gehalten. Daß er in der Wüste
gewesen war, sah man praktisch nur noch an dem Barett, das er beim
Kohlenausfahren trug, und an dem Gürtel, der seine Hosen festhielt. Albert
bewanderte Winston Churchill, nach der gerahmten Fotografie über dem Sekretär
zu schließen, in dem er die rußigen Quittungen aufbewahrte, aber er redete nie
von Blut, Schweiß und Tränen. Für meinen Vater dagegen waren der Krieg, die
Militärakademie und die Tatsache, daß er sich zum Offizier hochgedient hatte,
eine Erfahrung, die einen anderen Menschen aus ihm gemacht hatte. Er erzählte
endlos von seinen Abenteuern im aktiven Dienst und behauptete steif und fest,
er sei mit achtzehn noch um fünf Zentimeter gewachsen, was er auf das
militärische Training zurückführte und darauf, daß er nicht mehr Tag für Tag
zentnerschwere Kohlensäcke für seinen Vater schleppen mußte, wie er es vom
vierzehnten Lebensjahr an getan hatte. Die Armee wurde für ihn zum Vaterersatz:
Er kam als erwachsener Mann aus dem Krieg zurück. 1942, kurz bevor er zum
Offizier ernannt wurde, heirateten er und meine Mutter.
    Nachdem er jahrelang
fortgewesen war, wirkte er wie ein Fremder. Seine Familie wohnte in Horseman’s
Green, einem Weiler ganz in der Nähe. Sie besaß dort ein ziemlich spießiges
Haus namens »Ferncliffe«, das schon bessere Tage gesehen hatte, mit einem
Vorgarten, einem Hof mit Öllachen von den Lastwagen und ein paar Ackern. Mein
Vater schien sich dort nicht sehr wohl zu fühlen, wenn wir seine verwitwete
Mutter (sein Vater war nicht lange nach meiner Geburt 1943 gestorben), Albert
und seine jüngere Schwester Binnie besuchten, und vermutlich war das auch vor
dem Krieg nicht anders gewesen, als er die Kühnheit besessen hatte, meiner
Mutter den Hof zu machen.
    In der schlimmsten Zeit der
Weltwirtschaftskrise hatten seine Eltern ihn als einziges ihrer Kinder zu einer
Tante gegeben, und diese Trennung hatte ihre Spuren hinterlassen. Später holten
sie ihn wieder nach Hause, aber er gewöhnte sich nie wieder richtig ein, obwohl
er nach seinem Schulabschluß wie selbstverständlich für seinen Vater arbeitete.
A. Stockton & Sons hatten sich so durchgewurstelt: Man hatte Kohle
transportiert, manchmal auch Vieh oder den Hausrat kleiner Leute (nicht ohne
den Laster vorher mit dem Schlauch abzuspritzen) und nebenbei ein wenig
Landwirtschaft betrieben oder einen Acker verpachtet. Eine Zeitlang hatten sie
auch einen kleinen Laden gehabt. Als mein Vater und Albert aus dem Krieg
zurückkamen, übernahmen sie die Reste dieses amorphen Familienunternehmens und
wurden Partner. Doch ihre Einstellungen dazu waren grundverschieden. Onkel
Albert freute sich nach seiner Zeit in der Sahara darauf, so weiterzuwursteln
wie vorher, für meinen Vater dagegen waren Wurstelei, Kompromisse und
Ineffizienz der neue Feind. A. Stockton & Sons wurden zu

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