Die Angebetete
Plattenlabels heutzutage zu kämpfen haben.«
Zeiglers Schultern sackten herab. »Okay, okay. Kayleigh ist die letzte große Nummer, die mir noch bleibt. Alle anderen sind weg. Wenn ich sie auch noch verliere, ist alles vorbei. Ich bin fünfundvierzig Jahre alt und habe nie etwas anderes getan, als Alben zu produzieren. Ich kann es mir nicht leisten, als Freiberufler zu arbeiten. Davon abgesehen ist Kayleigh ein herausragendes Talent. Ich arbeite außerordentlich gern mit ihr zusammen. Sie ist ein Genie, wirklich einzigartig.«
Dance musterte die Adoptionspapiere, den Brief.
»Mary-Gordon weiß nichts davon?«
»Nein. Bishop hat Suellyn und ihren Mann gezwungen, eine Vertraulichkeitsvereinbarung zu unterzeichnen. Falls sie auch nur ein Wort sagen würden, könnten sie das Sorgerecht verlieren.«
Dance schloss kurz die Augen und schüttelte den Kopf. Sie war zwar erschüttert, so etwas über Bishop Towne zu erfahren, aber nicht im Mindesten überrascht.
Zeigler lachte humorlos auf. »Ich bin nicht der einzige Verzweifelte in dieser Branche.«
Sie schob die Dokumente zurück in den Umschlag und verstaute ihn in ihrer Handtasche. »Ich muss noch darüber nachdenken. Vorläufig gilt, dass Sie bei Bobby nach persönlichen Unterlagen gesucht haben. Was Sie gefunden und mitgenommen haben, ist ohne materiellen Wert und ohne Belang für den Fall.« Sie betrachtete ihn reserviert. »Aber Sie sind immer noch ein Mordverdächtiger.«
»Als Bobby ermordet wurde, war ich in einem Hotel in Carmel.«
»Kann jemand das bestätigen?«
Er überlegte kurz. »Ich war allein«, sagte er dann. »Ich war ziemlich aus der Fassung – mein anderer wichtiger Künstler hatte mich soeben gefeuert. Der einzige Kontakt, den ich hatte, war zu der Mailbox meiner Frau.« Er hob mit jämmerlicher Miene den Kopf. »Nützt Ihnen das was – eine Nachricht, bei der ich wie ein Zehnjähriger heule und darüber jammere, dass meine Karriere vermutlich vorbei ist?«
»Kann sein«, sagte Dance.
51
»Keine Beatles?«, fragte Dennis Harutyun sichtlich enttäuscht. So emotional hatte sie ihn noch nicht erlebt.
»Sieht nicht so aus.«
Dance hatte Martine angerufen, mit der gemeinsam sie ihre Internetseite betrieb und die zudem eine echte Musikhistorikerin war. Martine hatte daraufhin einige Nachforschungen angestellt und Zeiglers Angaben überprüft. Ja, hatte sie dann gemeldet, es würde schon seit vielen Jahren Gerüchte über unentdeckte Fab-Four-Songs geben, aber die übereinstimmende Meinung zum Wahrheitsgehalt entspreche dem, was Zeigler behauptet hatte.
Dance, Harutyun und Crystal Stanning standen zusammen auf dem Parkplatz des Red Roof Inn. Die Signalleuchten der Streifenwagen blinkten hektisch. Vielleicht war dies Vorschrift, aber Dance wünschte, sie würden die Dinger abschalten.
O’Neil telefonierte. Schließlich beendete er das Gespräch und blickte auf. »Sein Alibi stimmt.«
Die Verbindungsdaten und die Stimmanalyse des »heulenden Zehnjährigen« bestätigten, dass Barry Zeigler sich zum Zeitpunkt von Bobby Prescotts Ermordung mehr als zwei Fahrtstunden entfernt aufgehalten hatte.
»Wieso ist er in Bobbys Wohnwagen eingebrochen?«, fragte Harutyun. »Worauf hatte er es abgesehen?«
Dance zuckte die Achseln. »Offenbar ging es um was Persönliches, das nichts mit dem Fall zu tun hat. Ich glaube ihm.«
O’Neil sah sie belustigt an. Wich ihr Verhalten etwa von der grundlegenden Norm ab? Wenn jemand das bemerken würde, dann er.
»Ihn deswegen festzunehmen, dürfte kaum die Mühe wert sein«, sagte Harutyun. »Jedenfalls solange schlechtes Urteilsvermögen nicht als Straftat gilt.« Er ging zu seinem Wagen, ließ Zeigler aussteigen und nahm ihm die Handschellen ab. Dance wusste nicht, was die beiden beredeten, aber eine ernste Standpauke gehörte wohl auch dazu. Dann nahm der Produzent seine Computertasche, warf Dance einen letzten Blick zu und kehrte in sein Zimmer zurück. Dabei rieb er sich fortwährend die Handgelenke.
Dance beschloss, die Dokumente an Kayleigh weiterzugeben und sie entscheiden zu lassen, was damit geschehen sollte.
»Okay«, sagte Harutyun, der sich wieder zu ihnen gesellte. »Wir haben keine neuen Anhaltspunkte und keinen Verdächtigen.«
»Wir haben die Spuren«, wandte Crystal Stanning ein. »Die von den Tatorten und Edwins Grundstück.«
»Spuren«, murmelte Harutyun mürrisch, was Dance als weitere Gefühlsregung des zurückhaltenden Detective verbuchte. »Wir sind hier nicht bei CSI , tut mir
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