Die Angebetete
dem Parkplatz. Und der Autoschlüssel lag direkt daneben.«
»Sie hat ihn absichtlich fallen gelassen, um uns ein Zeichen zu geben. Was ist mit ihrem Telefon?«
»Jemand hat es zerstört oder den Akku entfernt. Es gibt kein Signal, das wir anpeilen könnten. Ich habe Lopez zu Edwins Haus geschickt. Der Buick steht vor der Tür. Aber im Haus ist nichts mehr; es sieht aus, als wäre Edwin ausgezogen.«
»Er hat einen neuen Wagen.«
»Ja. Aber der ist entweder gestohlen oder von privat gekauft. Bei der Zulassungsstelle ist jedenfalls nichts auf seinen Namen registriert, das haben wir schon überprüft. Und auch bei den Autovermietern in unserer Datenbank taucht er nicht auf. Er könnte alles Mögliche fahren. Und überallhin unterwegs sein.«
71
Die Alibifrau hatte gelogen.
Als Dance vor zwanzig Minuten mit ihr telefoniert hatte, hatte die zweiundsiebzigjährige Mrs Rachel Webber erneut – und sehr hastig – bestätigt, Edwin sei am Dienstag zu der genannten Zeit bei ihrem Haus gewesen.
Doch Kathryn musste sie nur drei Minuten verbal in die Mangel nehmen, um zu erfahren, was wirklich geschehen war: Edwin hatte sie früh an jenem Vormittag in ihrem Garten aufgesucht, sie mit vorgehaltener Waffe ins Haus gezwungen und sich die Namen ihrer Kinder und Enkel notiert. Dann hatte er ihr befohlen, der Polizei auf Nachfrage mitzuteilen, er sei um zwölf Uhr dreißig dort gewesen.
Nun hörten Dance und Dennis Harutyun dabei zu, wie Madigan mit dem Leiter der Spurensicherung telefonierte. Schließlich grunzte er und knallte den Hörer auf die Gabel. »Charlies Leute sind hinter Edwins Haus auf ein paar menschliche Knochen und Werkzeuge gestoßen. Ziemlich tief vergraben, sodass sie vorgestern bei der ersten Untersuchung nicht gefunden wurden. Sie hatten recht, Kathryn; er hat diese Plektren selbst angefertigt, und zwar aus der Hand des Filesharers.«
Dance schaukelte auf dem billigen Drehstuhl in Madigans Büro vor und zurück. Neben seinem Telefon stand ein Becher geschmolzener Eiscreme. Und Kathryn dachte erneut: Wie konnte mir das entgehen? Was ist schiefgelaufen? Es war ihr nicht gelungen, seine Lügen zu erkennen, aber sie hatte gewusst, dass die Analyse der Körpersprache von jemandem wie Edwin Sharp schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sein würde.
Also hatte sie sich die Fakten angesehen, die er erwähnt hatte, und versucht, nicht seine Kinesik, sondern den verbalen Inhalt zu erforschen. Tja, geh es noch mal durch. Gab es da irgendetwas, das ihnen verraten könnte, wohin Edwin mit seiner Liebsten fliehen würde?
Und was passieren würde, wenn sie dort eintrafen?
Dance glaubte die Antwort auf diese Frage zu kennen und wollte gar nicht genauer darüber nachdenken.
»Warum hat er sie sich nicht schon vor ein paar Tagen geschnappt?«, fragte Harutyun.
»Oh, er wollte sie sich gar nicht schnappen«, vermutete Dance. »Deshalb hat er Alicia als Mörderin inszeniert. Damit er Kayleigh retten und sie dadurch für sich gewinnen konnte. Wie bei manchen Brandstiftern – erst legen sie das Feuer, dann retten sie die Leute aus den Flammen, um als Helden dazustehen. Und genau das hat er ja auch gemacht. Wahrscheinlich hat er heute bei dem Mittagessen seine Chancen ausgelotet. Er hat Kayleigh daran erinnert, dass sie ihm ihr Leben verdankt, und vorgeschlagen, sie könnten ja mal zusammen ausgehen, irgendwie so was. Sie hat ihn abgewiesen. Da dies seine letzte Gelegenheit war, allein in ihrer Nähe zu sein, blieb ihm nichts anderes mehr übrig, als sie zu entführen. Aber es war keine impulsive Handlung. Glauben Sie mir, er hat diese Möglichkeit von vornherein bedacht und einen entsprechenden Plan entwickelt.«
Irgendwas nagte an ihr, doch sie bekam es nicht zu fassen. Wieder die Fakten … der verbale Inhalt. Da passte etwas nicht zusammen.
Was war es?
Sie seufzte. Der Gedanke verschwand, bevor er konkreter werden konnte. Dann:
Halt … Ja! Das war’s!
Sie nahm ihr Telefon und rief ihre Kollegin Amy Grabe an, die Leiterin der FBI -Dienststelle San Francisco.
»Hallo, Kathryn«, meldete sich die tiefe, angenehme Stimme der Frau. »Ich habe die Fahndungsmeldung gesehen – Entführung und mögliche Flucht über die Staatsgrenze.«
»Deshalb rufe ich an.«
»Geht es wirklich um die Sängerin Kayleigh Towne?«
»Leider ja. Ein Stalker.«
»Tja, was können wir für Sie tun? Glauben Sie, er ist in unsere Richtung unterwegs?«
»Nein, darum geht es mir nicht. Ich benötige die Unterstützung des FBI im
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