Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Angebetete

Die Angebetete

Titel: Die Angebetete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
sind oder ob er über weitere Wohnungen verfügt.«
    »Oh, darüber weiß ich aber nichts.« Ihr Blick richtete sich prompt auf den Bildschirm.
    Eine Verhaltensabweichung, die erkennen ließ, dass sie zumindest einen Verdacht hatte. Doch es würde etwas Arbeit erfordern, an dieses Nugget zu gelangen.
    »Nun, vielleicht wissen Sie ja mehr, als Ihnen bewusst ist, Sally.«
    »Aber ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört.«
    Ausweichend. Und die vage Zeitangabe deutete sogar auf eine Lüge hin. Dance ließ es ihr vorerst durchgehen. »Es muss sich nicht unbedingt um eine Stadt handeln, in die er umziehen wollte. Aber womöglich hat er ja mal irgendeinen Ort erwähnt, als Sie beide zusammen waren.«
    »Nein.«
    »Nein?«
    Sally überlegte hektisch. »Eigentlich hat er sich in Seattle ganz wohl gefühlt. Er ist nicht viel gereist. Er war eher der häusliche Typ.«
    »Und er hat wirklich niemals was erwähnt?« Sie sah auf das Blatt, das vor ihr lag.
    Sally entging der Blick nicht.
    Vorausgesetzt, Sie sagen mir die Wahrheit …
    »Na ja, er hat hin und wieder über mögliche Urlaubsziele geredet. Sie wissen schon. Aber ich glaube, das haben Sie nicht gemeint.«
    »Wohin wollte er denn?«
    »Zum Beispiel nach Nashville. Um die Grand Ole Opry zu besichtigen. Und dann vielleicht nach New York, um einige Konzerte zu besuchen.«
    Edwin Sharp hatte wahrscheinlich tatsächlich darüber gesprochen, aber er würde mit Kayleigh Towne nicht nach Nashville oder Manhattan flüchten und einen Hausstand gründen, wie verdreht seine Sicht der Dinge auch sein mochte.
    Aber Dance sagte: »Gut, Sally. Das ist genau die Art von Information, die wir benötigen. Fallen Ihnen noch andere Orte ein? Vielleicht haben Sie mal gemeinsam eine Sendung im Fernsehen gesehen, und er sagte: ›He, das sieht gut aus.‹ Irgendwas in dieser Richtung?«
    »Nein, ehrlich.« Die Augen auf die Webcam gerichtet.
    Eine Lüge.
    Dance verzog das Gesicht. »Nun, ich danke Ihnen jedenfalls für die Bemühung. Ich weiß nicht, was wir nun tun sollen. Sie waren wirklich die einzige Person, an die wir uns wenden konnten.«
    »Ich? Ich hab mich doch schon vor einer ganzen Weile von ihm getrennt. Äh, vor neun Monaten, so ungefähr.«
    »Ich will damit bloß sagen, dass Sie in einer ganz anderen Art von Beziehung zu Edwin gestanden haben als andere Leute. Sie werden es nicht glauben, aber er kann sehr dominant und obsessiv sein.«
    »Nein, echt?«
    Dance’ Herzschlag beschleunigte sich. Sie hatte Witterung aufgenommen und näherte sich ihrer Beute.
    Dennoch klang sie weiterhin so ungezwungen wie möglich. »Ja, absolut. Wenn jemand ihn zurückweist, löst das bei ihm etwas aus. Edwin hat große Verlassensängste. Er klammert sich an andere Menschen. Da er sich von Ihnen getrennt hat, sind Sie aber kein negativer Faktor in seinem Leben. Er hat sogar zu mir gesagt, dass die Trennung ihm immer noch zu schaffen macht. Vielleicht hat er ein schlechtes Gewissen.«
    »Sie haben mit Edwin über mich geredet? Erst kürzlich?« Die Worte sprudelten ihr förmlich über die Lippen.
    »Ja. Schon komisch, aber es klang so, als würde er Sie vermissen.« Dance achtete genau auf ihre Formulierungen. Sie würde ihr Gegenüber niemals vorsätzlich in die Irre führen, aber manchmal übernahm der Betreffende das selbst. »Ich wäre nicht überrascht, wenn er gern wissen würde, was Sie so machen.«
    Sally schluckte vernehmlich und strich sich mit den blau lackierten Fingernägeln zögernd durch das lange Haar – das an das von Kayleigh erinnerte, auch wenn es nicht so lang und nicht so seidig war. Als sie den Kopf neigte, konnte Dance die Haarwurzeln erkennen; sie war nicht naturblond. »Wonach hat er sich denn erkundigt?«, fragte die Frau mit etwas höherer Stimme – ein Anzeichen für Stress.
    »Ach, nach nichts Besonderem.«
    Wieder ein Schlucken.
    Dance schaute hinunter auf ein leeres Blatt Papier und hob dann wieder den Kopf. Sally bemühte sich, einen Blick auf die Seite zu erhaschen. Ihr stand ein wenig Schweiß auf der Stirn.
    Das FBI verfügte über wirklich gute Kameras.
    Dance sah abermals auf das Blatt, und Sallys Augen senkten sich ebenfalls, als würde der Zettel fünfzig Zentimeter vor ihr auf dem Tisch liegen.
    »Ihr Bruder wohnt in Spokane?«, fragte Dance. »Und Ihre Mutter in Tacoma?«
    »Ich … mein Bruder, meine Mutter?«
    »Hat Edwin den beiden nahegestanden?«
    Der Stalker hatte nur ein oder zwei Sätze über Sally verloren und ihre Familie nicht mal

Weitere Kostenlose Bücher