Die Angst des wei�en Mannes
Poem von José-María de Heredia ließ die grausame Romantik dieser Abenteurer anklingen, die – »ivres d’un rêve héroique et brutal – trunken von einem he roischen und brutalen Traum« »neue Gestirne aus unbekannten Meeren aufsteigen sahen«.
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AmEnde der endlosen Reise durch den Pazifik, den Magellan als erster Weißer durchschiffte, wurde er auf der Philippineninsel Cebu von den Eingeborenen erschlagen. Aber seine kleine Flotte sollte als erste die Umrundung des Erdballs vollbringen. Nur eine der fünf Karavellen erreichte nach ungeheuren Strapazen, aber mit Gewürzen überfrachtet, ihren iberischen Heimathafen. Die Schiffsbesatzung hatte als verwegene Vorläufer der »Globalisie rung« die Route vorgegeben.
Nach den Flächenbombardements der US Air Force im Zweiten Weltkrieg verblieben der Hauptstadt Manila, die vierhundert Jahre lang der spanischen Krone unterstanden hatte, nur noch geringe Spuren dieser kolonialen Präsenz. Im Krieg gegen Madrid, den der US-Präsident Theodore Roosevelt um 1900 vom Zaun brach und der der Karibikinsel Kuba eine relative Unabhängigkeit verschaffte, hatten auch die Philippinen den Besitzer gewechselt. Sie wurden der amerikanischen Verwaltung unterstellt.
Unmittelbar nach dem Kriegseintritt Japans im Dezember 1941 hatten die Soldaten des Tenno die Inselgruppe im Handstreich er obert. Sie gewährten ihr eine fiktive Unabhängigkeit, die nach der Kapitulation Nippons durch Washington bestätigt wurde. Das Schicksal der Philippinen unterscheidet sich auffällig und funda mental von dem der anderen Staaten Südostasiens, die auf den Trümmern ehemaliger europäischer Besitzungen ihre nationale Ei genstaatlichkeit verwirklichten.
Am deutlichsten offenbarte sich mir diese Sonderstellung, als ich kurz vor der Semana Santa 1972 die große, südlich gelegene Insel Mindanao aufsuchte und dort auf eine archaisch anmutende Bürger kriegssituation stieß. Am Ende einer strategischen Landzunge war der Hafen Zamboanga von den Spaniern zu einer eindrucksvollen Festung ausgebaut worden. Magellan war auf dem Visaya-Eiland Cebu dem Überfall des Häuptlings Lapu-Lapu zum Opfer gefallen. Wenig später landeten die Kriegshaufen der spanischen Krone und etablierten sich mit Hilfe ihrer überlegenen Feuerwaffen.
Ähnlich wie in Lateinamerika wurden die Eingeborenenstämme von Luzon und der Visayas, die noch ihren Naturreligionen an hingen,mühelos unterworfen. Die spanischen Mönche fanden hier einen fruchtbaren Boden für ihre Missionierung und impften der überwiegend malaiischen Bevölkerung den Glauben an die römische Kirche so nachhaltig ein, daß dort – wie in der Semana Santa von Luzon sichtbar wurde – eine exaltierte, naive Frömmigkeit aufkam, die dem ehemaligen iberischen Mutterland längst abhanden gekommen ist.
Auf Mindanao hingegen und den südlich angrenzenden Inseln – dem Sulu-Archipel zumal – stießen die Eroberer auf hartnäckigen Widerstand, der sich ihrem Vordringen über Jahrhunderte hinweg erfolgreich erwehrte. Sie prallten auf fanatische, religiös motivierte Gegner, die sich unter dem Einfluß arabischer Prediger zum Islam bekehrt hatten und die koranische Vorschrift des Propheten Mo hammed mit aufopfernder Todesbereitschaft gegen die christlichen Eindringlinge verteidigten.
Es muß auf die Seeleute und Soldaten der Katholischen Könige, die kurz zuvor das letzte islamische Fürstentum Andalusiens, die »Taifa« von Granada, unterworfen und die christliche »Recon quista« der Iberischen Halbinsel endlich zum Abschluß gebracht hatten, wie ein Schock gewirkt haben, als sie am anderen Ende der Welt, jenseits der ozeanischen Weiten, auf wehrhafte islamische Sultanate stießen, die den »reyes de taifas« Andalusiens gar nicht so unähnlich waren.
Die Muslime waren aus Spanien vertrieben worden; auf den Süd philippinen behaupteten sich jedoch die Krieger Allahs, und den Eroberern aus dem Abendland fiel nichts Besseres ein, als diese Malaien, die dem »Götzen« Mohammed huldigten, als »Moros«, Mauren, zu bezeichnen. Sie übertrugen den Namen jener arabisch berberischen Völkerschaften Nordafrikas auf sie, deren rauhe Rei terscharen einst ihre Heimat unterworfen und dem »Dar-ul-Is lam« einverleibt hatten.
Als nach 1900 die Beauftragten Theodore Roosevelts die besiegten Spanier ablösten und sich in der Folge bemühten, die katholischen Filipinos recht und schlecht zu amerikanisieren, stieß das Expeditionskorps der USA ebenfalls auf den erbitterten
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