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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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gendhafter Unerbittlichkeit zum Jihad rüstete, wenn die Umstände dies erforderten.
»Allah erkennt die Seinen«
    Kehren wir noch einmal nach Zamboanga in der Osterzeit des Jah res 1972 zurück. Ich hatte mich bei den Filmaufnahmen in der dor tigen Freitagsmoschee mit einem jungen, schmächtigen Imam na mens Ahmed, einem »Ustaz«, wie man hier sagte, angefreundet. Er hatte sich bereit erklärt, mir bei einem Erkundungsausflug zu den wahren, den gottgefälligen Kriegern der »Moro Liberation Front« behilflich zu sein. Als Ziel hatte er die Nachbarinsel Basi lan ausgewählt, die als unbezwungene Bastion der Mudjahidin galt. Ahmed führte uns zunächst auf den menschenwimmelnden Markt von Zamboanga, wo wir schwarze, längliche Kopfbedeckungen kauften, eine Art »Schiffchen«, wie sie von den meisten Muslimen Südostasiens getragen werden. Diese Tarnung löste bei uns eine solche Heiterkeit aus, daß wir uns der damit verbundenen Gefahr gar nicht bewußt wurden.
    Unser Aufbruch vollzog sich ohne Aufsehen. Ahmed steuerte auf zweioffene Auslegerboote zu, deren Besitzer knallbunte Handtücher zu Turbanen gewunden hatten. Sie sahen uns schweigend und etwas mißbilligend zu, während wir das Kameramaterial verstauten und unsere Käppchen zurechtrückten. Die Außenbordmotoren sprangen an, und auf einer spiegelglatten See tuckerten wir zwischen prächtig bemalten Seglern und den Patrouillen-Avisos der philippinischen Marine dem offenen Meer entgegen. Die alte spanische Kolonialfestung von Zamboanga und die Palmensilhouette der Küste schrumpften und schwebten eine Weile in der zitternden Tropenluft. In der Ferne zeichnete sich allmählich eine andere Insel, der schwarze Urwald von Basilan ab. Nach etwa dreistündiger Fahrt öffnete sich eine sandige Bucht mit einem Pfahldorf und einer für malaiische Verhältnisse stattlichen Moschee.
    »Wir sind am Ziel«, sagte Ahmed. Plötzlich rannten bewaffnete Männer mit wildem Blick auf uns zu, redeten gestikulierend auf den Ustaz ein. Wir spürten die Verlegenheit und die Angst, die sich des Koranlehrers bemächtigten. »Ich glaube, wir sind ins falsche Dorf geraten«, raunte er mir zu. »Ich hatte dort unsere Ankunft ankün digen lassen, aber diese Männer wissen von nichts.« Unsere Boote hatten sich im Sand festgefahren, und wir wateten an Land. Vor uns lag das Dorf Tuburan, eine der Hochburgen des Moro-Aufstandes, wie uns eine Woche zuvor ein philippinischer Fregattenkapitän läs sig erklärt hatte.
    Ich will nicht im Detail unsere recht leichtsinnige Expedition nach Basilan und den Aufenthalt bei den Moros im Dorf Tuburan schildern. Wir waren in weit größerer Gefahr als während meiner einwöchigen Gefangenschaft beim Vietcong, die ein Jahr später er hebliches Aufsehen erregte. Interessant für mich war die Feststel lung, daß wir es bei diesen Partisanen mit sehr unterschiedlichen Fraktionen zu tun hatten.
    Da waren die frommen Greise, die meist die Pilgerfahrt nach Mekka hinter sich gebracht hatten und ein erstaunlich reines Hocharabisch sprachen. Deren Sympathie gewann ich relativ schnell durch die Rezitation von ein paar Ayat, ein paar Versen des Koran. Aber da gab es auch junge Fanatiker, die teilweise an den Universi tätender Insel Luzon mit dem marxistischen Gedankengut der »New People’s Army« in Berührung gekommen waren. Für sie galten wir als Spione der amerikanischen CIA. Ustaz Ahmed palaverte zwar unermüdlich, aber mir flüsterte er zu, daß wir uns in Lebensgefahr befanden.
    Einen wahren Schock empfand ich, als ein langhaariger Unter führer mit Kalaschnikow sich plötzlich aufrichtete und ich auf sei nem grünen T-Shirt ein großes Hakenkreuz mit der deutschen In schrift »Sieg Heil« entdeckte. Diese unberechenbaren Freischärler durften auf keinen Fall erfahren, daß unser wackerer Kameramann Jossi Kaufmann von Geburt Israeli war und sogar im ersten Suez-Krieg von 1956 mit der Panzertruppe von Zahal auf dem Sinai ge kämpft hatte. Sein Paß lag, Allah sei Dank, im Hotelzimmer von Zamboanga, aber wie leicht wäre es, über einen Mittelsmann die Gästeliste einsehen zu lassen.
    Die Rettung kam am folgenden Tag – nach einer schwülen Tro pennacht, die ich schlaflos verbrachte – in Gestalt eines etwa drei ßigjährigen »Qaid-el-askari«, der sich als Abubakr vorstellte und uns im Gegensatz zu unseren bisherigen nervösen Bewachern mit Selbstbeherrschung und Reserve nach den Gründen unserer An wesenheit fragte. Er war schlammverkrustet von der

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