Die Angst des wei�en Mannes
Partisanen kampfder Moros. Der amerikanische Befehlshaber, General Pershing, der 1917 das US-Interventionsheer des Ersten Weltkrieges in Frankreich befehligen sollte, ging mit äußerster Härte gegen diese islamischen Rebellen – heute würde man »Terroristen« sagen – vor. Er wurde dort als »Black Jack« bekannt und veranstaltete eine erbarmungslose Repression. Aber seine Marines holten sich immer wieder blutige Köpfe bei den Moros.
Die Festung Zamboanga hatte auch den amerikanischen Besat zungstruppen als Ausgangspunkt für ihre Strafaktionen und Unter werfungsbemühungen gedient. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die erste halbwegs unabhängige Regierung der Philippinen – ge stützt auf die katholische Mehrheit des Archipels und das Wohlwol len der USA – ihre Autorität im Süden, bei den Moros, die allenfalls ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Republik ausmachten, durchzusetzen suchte, flammte die unermüdliche Guerrilla wieder auf. Den Namen »Moro« hatten sie übrigens bereitwillig akzep tiert.
Sehr bald organisierten sie sich in einer locker strukturierten »Moro Liberation Front«, der sich später eine strikt religiös orien tierte »Moro Islamic Liberation Front« beigesellte. Während die pro-amerikanische »demokratische« Regierung von Manila ihre junge Armee ausschickte, um den kommunistischen Aufstand der »New People’s Army« – auch »Hukbalahap« genannt – unter An leitung des US-Colonels Lansdale auf der Hauptinsel Luzon mit bewährten Methoden der »counter-insurgency« unter Kontrolle zu bringen, war der Bürgerkrieg auf Mindanao zu einem grausamen Gemetzel ausgeartet. Hier ging es nicht – wie bei den Marxisten im christlichen Norden – um eine neu importierte westliche Ideologie. Hier wurde der fundamentale Konflikt zwischen zwei rivalisieren den Religionen ausgetragen, die beide im Laufe der Jahrhunderte tiefe Wurzeln geschlagen hatten.
Rattenund Barracuda s
Als wir um die Osterzeit 1972 in Zamboanga eintrafen, lag der ma lerische Hafen im roten Licht der Abendsonne. Hier war die Ge schichte lebendig geblieben. Aus den mächtigen Steinquadern der Zitadelle sprach weiterhin der längst verklungene Imperialanspruch der Hispanität. Neben unserem Hotel, das unmittelbar ans Meer grenzte, sammelten sich sogenannte See-Zigeuner und boten uns blendend weiße Korallenbüsche an. Die großen Segler mit dem knallbunt bemalten Bug wirkten barbarisch und fremd. Außer ein paar amerikanischen Offizieren waren wir die einzigen ausländi schen Gäste. Mit den Kellnern, die Langusten servierten, konnten wir uns in fast reinem Kastilianisch verständigen. Das war in den üb rigen philippinischen Provinzen, wo das malaiische »Tagalog« als Nationalsprache gilt, sich in Wirklichkeit jedoch das Amerikanische überall durchgesetzt hat, längst nicht mehr möglich.
Beim Abendspaziergang entdeckten wir, in die hohe Mauer des Kastells eingelassen, das Muttergottesbild der »Virgen del Pilar de Zaragoza«. So nah war die Herrschaft der Katholischen Könige von Spanien noch. Alte und junge Frauen, mit weißen oder schwarzen Spitzenmantillen auf dem Kopf, knieten vor dem Marienbild und zündeten Kerzen an. Das Abendgeläut der schweren Glocken der Kathedrale von Zamboanga dröhnte weit über die Reisfelder am Stadtrand. Ein alter Mann kniete mit kreuzweise ausgestreckten Ar men bei der Madonna mit dem Kind.
Jenseits des Palmenhains leuchtete die Silberkuppel einer Mo schee. Dort bediente sich der Muezzin, um gegen den erzenen Schwall der christlichen Glocken anzukommen, längst eines Laut sprechers, wenn er zum Gebet rief. »Allahu akbar«, klang der Kampfschrei des Islam gegen den katholischen Triumphalismus an. »Allah ist größer!«, und der Routine-Appell gewann seine alte her ausfordernde Bedeutung zurück.
Wenige Tage zuvor hatten wir unter Begleitschutz der philippinischen Armee die Kampfzone Mindanaos im Umkreis der Stadt Cotabatobesucht. Der Konflikt zwischen Moslems und Christen war bereits in den ersten Nachkriegsjahren durch die massive Einwanderung von katholischen Filipinos aus dem armen Visaya-Archipel ausgelöst worden. Mit stillschweigender, aber aktiver Unterstützung der Zentralregierung in Manila hatten die Neusiedler durch List und Gewalt die Bodenrechte der dort ansässigen Muslime an sich gerissen.
Als diese sich zur Wehr setzten, organisierten die Christen blut rünstige, bewaffnete Banden, die auf den stolzen Namen »Ilagas«, das heißt »Ratten«, hörten. Sie
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