Die Angst des wei�en Mannes
gingen mit äußerster Grausamkeit gegen die einheimischen Muselmanen vor. Die Ohren der getöte ten Gegner wurden als Trophäen konserviert. Die Moslems wie derum taten sich im Kampfbund der »Barracudas«, der »Raub fische«, zusammen. Im Stadtkern von Cotabato, im Gewirr der Wellblechbaracken und Strohhütten, hatten die Brandstiftungen dieses unerbittlichen Bruderkrieges breite, verkohlte Schneisen hinterlassen. Auf dem flachen Land mußten die christlichen Zu wanderer sich vor den Anstürmen der Moros in Wehrdörfern ver barrikadieren. Sie wurden durch Hubschrauber versorgt.
Die philippinischen Armee-Einheiten machten einen sehr läs sigen Eindruck. Gegen Abend gruppierte sich ein Trupp Soldaten malerisch um einen Panzer und zündete ein Lagerfeuer an. Einer von ihnen griff zur Gitarre und sang ein melancholisches Lied in der malaiischen Tagalog-Sprache. Aber die Melodie, der Rhyth mus, wirkte fast andalusisch. Die Offiziere hielten sich abseits von der Truppe. Sie waren geprägt vom präzisen amerikanischen Drill, aber auch ein Hauch hispanischer Grandezza haftete ihnen noch an, gemildert durch die malaiische Heiterkeit.
Die meisten Filipinos aus dem Norden trugen Amulette mit der Jungfrau Maria um den Hals. Sie zeigten uns voller Verachtung die Koransprüche, die sie bei den Leichen der gefallenen Rebellen ent deckt hatten. Die Moros hatten sich offenbar von diesen Suren ma gischen Schutz gegen Verwundungen und Tod versprochen.
Dieser Archipel am Rande der gewaltigen asiatischen Landmasse neigte in mancher Beziehung dem lateinamerikanischen Subkonti nentzu. Das importierte amerikanische Demokratiemodell war sehr bald dem »Caudillismo« gewichen, und die politische Opposition in Manila konnte nur noch auf ein »Pronunciamiento« hoffen, um einen Regimewechsel zu erzwingen. Schließlich hatte der »American way of life«, der mit Coca-Cola und Baseball-Begeisterung zu triumphieren schien, die protzige Männerpose des »Machismo« nicht verdrängen können. Hatte nicht sogar Präsident Marcos seine Karriere als »Pistolero« begonnen, als er einen politischen Gegner seines Vaters angeblich aus dem Weg räumte? Später hat er sich im Abwehrkampf gegen die Japaner als Guerrilla-Führer bewährt.
Der deutschen Öffentlichkeit sollten diese fernen Wirren erst zu Ohren kommen, als im Jahr 2000 die unglückliche Lehrerfamilie Wallert aus Göttingen während ihres Ferienaufenthalts im malay sischen Landstreifen Nord-Borneos – genau gesagt im Sultanat Sabah – von einheimischen Gangstern auf eine vom Dschungel überwucherte Insel des Sulu-Archipels verschleppt wurde, die be reits zum philippinischen Staatsgebiet gehört. Die Gangster unter hielten engste kommerzielle und familiäre Bindungen zu ihren ma laiischen Komplizen im Umkreis von Kota Kinabalu. In diesen Gewässern blühte auch jede Form von Waffenschmuggel und Pira terie. Die Banditen, die Frau Wallert in helle Verzweiflung trieben, gebärdeten sich als muslimische Widerstandskämpfer der Gruppe »Abu Sayyaf« und untermalten ihre Drohgesten mit dem Ruf »Al lahu akbar«.
Die Bundesregierung hatte sich damals der Vermittlung des libyschen Staatschefs Oberst Qadhafi bedient, um die Geiseln gegen Zahlung eines beachtlichen Lösegeldes befreien und repatriieren zu können. Es spannte sich ein mysteriöser Bogen zwischen diesen Banditen, die dem kriegerischen Stamm der Tausog angehörten und ihren religiösen Widerstand gegen Manila als Vorwand für ihre räuberische Tätigkeit nutzten, und dem sendungsbewußten Diktator Libyens, der die Welt durch seine vestimentären Extravaganzen erheiterte und durch seine Terroranschläge beängstigte. Das ständig beschworene Bindeglied zwischen den Ganoven von Jolo am Randedes Pazifik und dem Paranoiker von Tripolis am Südufer des Mittelmeers war das gemeinsame Bekenntnis zum Islam.
Spätestens in jenen Tagen hektischer Verhandlungen hätten die Deutschen bemerken müssen, daß sich zwischen dem nordafrika nischen Maghreb und den malaiischen Archipelen im äußersten Osten des asiatischen Kontinents ein gewaltiger, durchgehender Landgürtel schließt, der von 1,3 Milliarden Korangläubigen be wohnt ist. Der Fall Wallert hatte das terroristische Potential auf gedeckt, das dieser orbitalen Gemeinsamkeit innewohnen konnte. In Wirklichkeit zeichnete sich in diesem Raum eine religiöse Er weckungsbewegung ab, die in unterschiedlichen Formen den Kampf gegen den westlichen Imperialismus aufgenommen und sich in tu
Weitere Kostenlose Bücher