Die Angst des wei�en Mannes
»que tout est pour le mieux dans le meilleur des mondes possibles« – daß in der besten aller Welten al les zum Besten bestellt sei.
Sternenbanner über Manas
Manas, im Sommer 2009
Das Sternenbanner der USA flattert wieder über dem kirgisischen »Transit Center« Manas am Rand von Bischkek. Der Anblick der »Stars and Stripes« wirkt beinahe anheimelnd in dieser barbarischen Umgebung am Rande der Tatarenwüste. Vielleicht spüre ich auch deshalb ein stärkeres Gefühl der Verbundenheit und Solidarität mit dem transatlantischen Verbündeten, weil der eigene, euro päischeKontinent, in den man so große Hoffnungen gesetzt hatte, durch seine überstürzte Ausweitung nach Osten einem Entfremdungsprozeß unterliegt. Die Europäische Union, die nicht in der Lage ist, sich zu einer gemeinsamen Außenpolitik, geschweige denn zu einer koordinierten Strategie durchzuringen, erscheint – von den Gletschern des Pamir aus betrachtet – wie eine schillernde Schimäre.
Vielleicht unterliege ich einer Autosuggestion, aber die Soldaten des 376th Air Expeditionary Wing, die ich treffe, scheinen aus einem anderen Holz geschnitzt als ihre Kameraden von »Iraqi Freedom«, die mir in Bagdad häufig auf die Nerven gingen. Ist es nur ein günstiger Zufall oder liegt es am sympathischen Auftreten der uns betreuenden Offiziere, dass ich wieder die kameradschaft liche Verbundenheit empfinde, die sich einst in Vietnam einstellte, wenn wir mit den US Marines oder den Soldaten der 1st Cav un ter den Beschuß des Vietcong gerieten?
In Manas sehen die Wachen von exzessiven Kontrollen ab, die in der Umgebung der »Green Zone« von Bagdad in fast hysterischer Anspannung stattfinden. Das Kamerateam kann ungehindert sei ner Arbeit nachgehen und in aller Ruhe das Beladen der mächtigen Transportmaschinen C 17 Globemaster filmen, die am Rande der Rollbahn aufgereiht sind.
Der Public Affairs Officer lädt mich zu einem ausführlichen Be richt in seinen Briefing Room ein. Militärische Geheimnisse gibt er natürlich nicht preis, aber ich erfahre doch, wie unentbehrlich der Stützpunkt Manas für die amerikanische Truppenversorgung in Afghanistan geworden ist. Ein großer Teil der hier versammelten Mannschaften macht in der Regel eine Zwischenlandung in der zentralen Militärbasis von Bagram östlich von Kabul. Zum Teil aber führt der Transport auch direkt in die Kampfzonen, ob diese sich nun bei Kandahar, Jalalabad oder Kunar befinden.
Der Stützpunkt selbst verfügt über ein ständiges Militärpersonal von 1100 Mann. Auch ein begrenztes französisches und spanisches Kontingent ist hier zugegen. Der Kommandeur von Manas, Colonel Holt, hat als Pilot die unterschiedlichsten Typen geflogen und esauf mehr als 3700 Flugstunden gebracht. In seine Zuständigkeit fällt auch jene disparate Bodentruppe, die in Kabul unter dem Namen »International Safety Assistance Force« (ISAF) in Erscheinung tritt. Die Koordination einer so kunterbunten Koalition, deren Auftrag nie präzis definiert wurde, dürfte ihm manches Problem aufgeben. Die Einheit, die er befehligt, hatte sich bereits im Zweiten Weltkrieg bewährt, als er im Jahr 1942 an der vernichtenden Bombardierung der rumänischen Erdölfelder von Ploesti teilnahm und dabei schwerste Verluste erlitt.
Bei aller Umgänglichkeit hat mir der Presseoffizier nicht verra ten, wie er sich den weiteren Verlauf des Afghanistan-Engagements vorstellt. Gleichwohl kann ich wieder einmal feststellen, daß bei der kämpfenden Truppe eine weit skeptischere Beurteilung vorherrscht als bei so manchen deutschen Parlamentariern, die weit vom Schuß debattieren. Die Erneuerung der Konzession, die Basis Manas wei terhin durch die US Air Force zu nutzen, kann in ihrer Bedeutung gar nicht überschätzt werden. Seit die terrestrischen Zugangswege nach Afghanistan, die über den Khyber-Paß und über Quetta, also über unruhiges pakistanisches Staatsgebiet, nach Kandahar und Kabul führen, vernichtenden Überfällen durch islamische Frei schärler ausgesetzt sind, ist die atlantische Allianz für den Transport ihres Nachschubs auf den Luftraum, auf die Flugplätze, aber auch auf die Straßen und Eisenbahnschienen der ehemaligen Sowjet republiken Zentralasiens angewiesen. Sogar in den Häfen Lettlands und Georgiens wird die Versorgung ausgeschifft.
Vor allem aber muß dieses gewaltige Transportunternehmen das Staatsgebiet der Russischen Föderation in Anspruch nehmen. Dadurch entsteht zwangsläufig eine gegenseitige
Weitere Kostenlose Bücher