Die Angst des wei�en Mannes
widernatürliche und anmaßende Dominanz zu verewigen.
Mord und Totschlag im Zeichen der Freiheit
Areia Branca, im März 2008
Mit einiger Phantasie könnte man sich am weißen Sandufer von Areia Branca einbilden, eine Miniatur der Copacabana zu entdecken. Dazu tragen die portugiesischen Rufe und Wortfetzen bei, die von den im Meer planschenden Menschen herüberklingen. Zwar hält man vergeblich nach den Prunkbauten und den modernen Monsterfassaden der brasilianischen Metropole Ausschau, aber die Elendsviertel von Dili, die durch eine gnädige Küstenkrümmung verdeckt sind, lassen sich durchaus mit den dortigen Favelas vergleichen. In Ermangelung des berühmten »Zuckerhuts« versperrt das Cap Fatucuma den östlichen Horizont, und auf dessen höchstem Felsen erhebt sich tatsächlich wie in Rio eine gigantische Christusstatue. Der Heiland streckt auch hier seine segnenden Armeaus und scheint vergeblich bemüht, Gewalt und Elend von den geplagten Menschen Ost-Timors fernzuhalten.
Wir sind aus einem besonderen Anlaß in diesem erbärmlichen Strandrestaurant von Areia Branca zusammengekommen. Der Holzschuppen mit klappriger Veranda wird durch Stacheldraht lo cker abgesichert. Hier feiere ich meinen 84. Geburtstag. Ich halte nicht viel von dem »Happy Birthday«-Gequake, aber meinen Gön nern von der GTZ bin ich ohnehin eine Fete schuldig. Um das Treffen zu politischem und informativem Austausch zu nutzen, haben sie ein paar Politiker und ehemalige Minister der Republik Timor-Leste hinzugeladen.
Vor allem erfreut mich die Anwesenheit meines Freundes Udo Haase und seiner Frau Eva. Beide hatte ich im deutschen Schick salsjahr 1989 in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator kennen-und schätzengelernt. Udo war damals als Diplomat der Deutschen Demokratischen Republik in der Heimat Dschingis Khans tätig. Er beherrschte die Landessprache – nach Aussagen der Einheimi schen – fast so gut wie ein gebürtiger Mongole und verfügte über profunde Landeskenntnis.
Nach seinem Ausscheiden aus dem auswärtigen Dienst der DDR habe ich den Kontakt aufrechterhalten. Udo wurde später Bürger meister von Schönefeld, und damit fiel ihm beim Ausbau des dor tigen Großflughafens eine wichtige Aufgabe zu. Bevor ich mit Ehe paar Haase nach Ost-Timor aufbrach – die Horrormeldungen, die aus Dili eintrafen, konnten die beiden nicht abschrecken –, hatten wir schon gemeinsame Exkursionen unternommen.
So waren wir ein paar Jahre vor Angela Merkel und Sigmar Ga briel nach Grönland gereist und hatten festgestellt, daß die Klima erwärmung, die ähnlich günstige Agrar- und Weidebedingungen am Rande der gewaltigen Eiskappe wiederherstellte wie zu Zeiten des Wikingers Eriks des Roten, auch den urzeitlich wirkenden Mo schusochsen zugute kam.
Im Himalaya-Königreich Bhutan entdeckten wir im folgenden Jahr tatsächlich eine Art Shangri-La. Die Heiterkeit, das Wohlbefinden der dortigen Bevölkerung war nicht von der Seuche des Massentourismusheimgesucht. Meinen 83. Geburtstag hatten wir im März 2007 gemeinsam an Bord eines kleinen russischen Eisbrechers in der bizarren, extraterrestrischen Welt der Antarktis mit viel Wodka gefeiert und von mitfahrenden Wissenschaftlern erfahren, daß sich am Südpol eine Abkühlung der eisigen Fluten vollzieht, daß über diesem sechsten Kontinent gewaltige Schneefälle niedergehen, die sich in kompakte zusätzliche Gletschermassen verwandeln.
Dieses Mal kaufe ich dem militärisch geschützten Commissary Shop von Dili, dessen Angebot für die Einheimischen unerschwing lich ist, aber für die privilegierte Kaste der UNO-Funktionäre und der NGO-Parasiten alle nur denkbaren Luxusgüter feilhält, ein paar Flaschen Whisky – Marke Chivas Regal –, französischen Cham pagner und vorzüglichen australischen Rotwein, um das Wiegen fest gebührend zu begehen. Für die Nahrung sorgt der Wirt unse rer reichlich vergammelten »Pousada«, ein Mulatte aus Mosambik, der zur Feier des Tages neben der schwarz-gelb-roten Fahne von Timor-Leste auch das rot-grüne Banner Portugals gehißt hat. Er serviert einen schmackhaften Fisch, dessen festes Fleisch sich mit dem »Empereur« aus dem Mittelmeer vergleichen läßt. Dazu kommt australisches beef und eine buntschillernde Torte. Besonders hygienisch geht es in dieser Kambüse nicht zu. Dafür sorgt schon ein Äffchen, das an langer Leine zwischen den Tischen herum springt. Doch wen stört das?
Ich habe zusätzlichen Grund, meine Präsenz in Dili zu feiern. Mit dieser
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