Die Angst des wei�en Mannes
Sonnenbrille ab und wird zusehends mitteilsamer. Es klingt, wie mir scheint, Galgenhumor mit, wenn er auf die hiesigen Vorgänge, zumal die Bemühungen seines eigenen Landes, zu spre chen kommt, in dem südostasiatischen Zipfel wieder Flagge zu zei gen. Als Wendepunkt des internationalen Pokerspiels nennt er den 12. November 1991. An diesem Tage hatten sich in Dili etwa tau send einheimische Patrioten am Friedhof Santa Cruz versammelt, um den Tod eines im Kampf gefallenen Widerstandskämpfers zu beklagen. Indonesische Soldaten eröffneten das Feuer und richte ten ein Massaker an. Das war eigentlich nichts Ungewöhnliches. Aber dieses Mal geriet das brutale Vorgehen des General Suharto in das grelle Licht der westlichen, vor allem der amerikanischen Medien. Ganz zufällig sei die internationale Anteilnahme wohl nicht zustande gekommen, bemerkt Fernando mit müdem Lächeln.
Im Jahr 1991 schwelgten die USA in der Gewißheit, ihr Ziel einer weltweiten Hegemonie erreicht zu haben. Die Sowjetunion war auseinandergebrochen. Präsident Bush senior hatte Saddam Hus sein in die Knie gezwungen. Im Kapitol zu Washington keimte eine Vorstellung, die unter George Bush II zur Obsession werden sollte. Demnach müßten im Zeichen einer ideologischen Gleichschaltung sämtliche Länder des Erdballs die amerikanischen Vorstellungen von Demokratie und Kapitalismus übernehmen.
Dem Diktator Indonesiens, Hadji Mohamed Suharto, der als unerbittlicher Kommunistenfeind ein willkommener Verbündeter war, hatte man bislang Grausamkeit und Korruption nachgesehen. Unter der energischen Führung des »lächelnden Generals« hatte sein gigantischer Archipel sogar einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Doch plötzlich wurde der alternde Despot,der sich zunehmend störrisch zeigte und den Weisungen des Internationalen Währungsfonds mit berechtigtem Mißtrauen begegnete, ein unbequemer, ja belastender Alliierter. Zudem kam der Verdacht auf, daß er sich zur Konsolidierung seines Regimes nicht nur auf die unentbehrliche Armee stützte, sondern gewissen islamischen Kräften zu weiten Spielraum einräumte. Kurzum, der Mohr hatte seine Schuldigkeit getan, der Mohr konnte gehen.
Es war ja nicht das erste Mal, daß Washington bewährte Gefolgs leute fallenließ. Im Gedankenaustausch mit meinem portugiesi schen Gesprächspartner erwähne ich das traurige Schicksal des Präsidenten Ngo Dinh Diem in Vietnam, den Schah von Persien, diverse Caudillos in Lateinamerika und neuerdings auch die Pres sekampagne gegen General Pervez Musharraf in Pakistan.
Die indonesischen Kommandeure, die Tausende ihrer Soldaten in der Guerrilla von Ost-Timor verloren hatten und nach der Ge fangennahme des wichtigsten Partisanenführers Xanana Guzmão überzeugt waren, der »Pazifizierung« dieser rebellischen 27. Pro vinz nahe zu sein, hatten sogar den Gedanken an eine begrenzte Au tonomie Ost-Timors weit von sich gewiesen. Die Situation änderte sich jedoch gründlich, als im Jahr 1997 Ostasien durch eine kata strophale Finanzkrise erschüttert wurde.
Noch heute hält sich in den Ländern, die von dieser Rezession ge troffen wurden, der Verdacht, daß sie in einer ersten Phase durch die Manipulationen des Finanzmagnaten George Soros, seine Speku lation gegen die thailändische Bath-Währung, ausgelöst und an schließend durch das krampfhafte Festhalten an den schädlichen Entscheidungen des Weltwährungsfonds auf eine ganze Reihe ande rer Staaten in Fernost – darunter Südkorea – ausgeweitet wurde. Am härtesten betroffen war Indonesien, wo die Währung, die Rupiah, ins Bodenlose stürzte, die aufstrebenden Industriezweige plötzlich zusammenbrachen und das Gespenst des Staatsbankrotts auftauchte. Eine Welle von Verzweiflung, Wut und Gewalt bemächtigte sich der bislang so passiv und unterwürfig wirkenden Massen. Ganz Indone sien könnte Amok laufen, so befürchteten die Experten.
Am21. Mai 1998 resignierte der schwer erkrankte und verbitterte General Suharto. Er gab das höchste Staatsamt an seinen bisheri gen Vizepräsidenten und engen Vertrauten Yusuf Habibie ab. Die westlichen Handelspartner Indonesiens atmeten auf. Habibie ge noß vor allem in Deutschland, wo er sein Ingenieurstudium einst brillant abgeschlossen hatte, hohes Ansehen und galt als Garant li beraler Ökonomie und politischer Toleranz. Daß sich dieser tech nisch hochbegabte Mann im politischen Spiel als Versager und Phantast erweisen sollte, entdeckten seine deutschen Freunde wohl
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