Die Angst des wei�en Mannes
amerikanisch sein.«
Die Timor-See, so wußten die Prospektoren seit geraumer Zeit, enthält knapp achtzig Meter unter dem Meeresspiegel reiche Vor kommen an Petroleum und Erdgas. Nun trifft es sich, daß das Bayu Undan-Feld, wo die Förderung bereits im Gange ist, nur 250 Kilo meter südwestlich des timoresischen Fischerortes Suai, aber 500 Kilometer vom nordaustralischen Hafen Darwin entfernt liegt. Schon ist eine Pipeline für Gastransport im Bau, die nicht nach Suai, sondern nach Darwin führt, von wo der Weiterexport in Rich tung Japan stattfinden soll.
Das Abkommen, »Timor Gap Treaty« genannt, das unter Miß achtung der geographischen Fakten und der völkerrechtlich ver bindlichen Usancen unterzeichnet wurde, kam unter massivem Druck Canberras zustande. Eine extrem komplizierte Regelung wurde mit dem internationalen Konzern Phillips Petroleum ver einbart, aus dem nur eines mit Klarheit hervorgeht, nämlich die eindeutige Benachteiligung der Timoresen.
Sollte in Dili eines Tages eine handlungsfähige und selbstbewußte Regierung ans Ruder kommen, wäre der offene Streit mit Australien vorprogrammiert, zumal die Ausbeutung der zusätzlichen Reserven und Förderblocks im »Greater Sunrise Field« noch nicht zugeteilt wurde. Wer wohl als Gegenspieler der Angelsachsen und als Sekundant der geprellten Timor-Regierung in Frage käme,frage ich. »Auf lange Sicht kommt nur eine Großmacht in Frage«, lautet die Antwort. »Das wird mit Sicherheit nicht die Europäische Union sein, als deren Mitglied Portugal seiner ehemaligen Kolonie beistehen möchte. Das kann auf Dauer nur die Volksrepublik China sein, die als Aufkäufer des immensen Mineralreichtums Australiens als wenig beliebter, aber unentbehrlicher, unersättlicher Kunde über zunehmende Druckmittel verfügt.«
Beim Verlassen der Pousada Flamboyant fällt mir ein Denkmal auf, das seinerzeit als Zeichen der angeblichen engen Verbunden heit mit Jakarta errichtet wurde. Ein in malaiische Tracht gekleide tes Paar sollte die Zugehörigkeit zu Indonesien versinnbildlichen, und seltsamerweise ist es niemandem eingefallen, dieses Symbol einer erzwungenen Überfremdung zu zerschlagen. Fernando ver abschiedet sich mit einem kräftigen abrazo . Dabei gibt er mir den Rat, auf dem Plateau von Baucau nach dem Flugplatz Ausschau zu halten, der noch von den Portugiesen angelegt wurde und im Ge gensatz zum winzigen Airport von Dili auch für die Landung gro ßer Düsenmaschinen taugt. Die UNO habe sich die Nutzung die ser ausgedehnten Rollbahn vorbehalten.
War es die schlechte Witterung oder eine gezielte Nachlässigkeit der australischen Fluglotsen, daß eine russische Maschine, die mit technischem und elektronischem Gerät aus Portugal zur Aufrü stung der timoresischen Streitkräfte beladen war, im Jahr 2004 ihr Ziel verfehlte und brennend im Busch aufschlug? Nicht weit davon sind Soldaten der im Aufbau befindlichen Armee von Timor-Leste in Baracken untergebracht. Für deren Ausbildung haben die Au stralier nicht den ausschließlichen Auftrag übernehmen können. Es sind auch Instrukteure aus Bangladesch und diversen ASEAN-Staa ten präsent, was der Tauglichkeit dieser Truppe mit Sicherheit nicht zugute kommt. Die Chinesen der Volksrepublik hatten sich ur sprünglich auf die Lieferung von Uniformen beschränkt, sind aber angeblich auch als Waffenlieferanten und diskrete Advisors über die ganze Inselrepublik verstreut.
Der Fahrer Jorge hatte unserem Gespräch, das auf französisch geführt wurde, nicht folgen können. Jetzt steuert er seinen Gelän dewagenauf die verwitterten Reste der portugiesischen Festungsmauern von Baucau zu. Offenbar will er seine in einer Klosterschule erworbenen Lateinkenntnisse zur Geltung bringen. »Sic transit gloria mundi«, zitiert er, und sein erstarrt wirkendes, dunkles Antlitz wird plötzlich von einem Anflug von Heiterkeit, aber auch von Trauer belebt. Er könne mir westlich von Dili, in Maubara, auch noch eine Bombarde – eine Steinschleuder – der Kolonialmacht aus dem siebzehnten Jahrhundert zeigen, schlägt er vor. »Sic transit gloria Lusitaniae et Europae«, ergänze ich seinen frommen Spruch. Ein paar plumpe Geschütze oder »Feuerschlangen«, wie man damals sagte, hatten genügt, um dem weißen Mann zu seiner Weltherrschaft über alle Kategorien farbiger und exotischer Völker zu verhelfen. Heute dürfte die Anhäufung der perfektioniertesten Technik, der Einsatz von Wunderwaffen, kaum mehr ausreichen, um eine so
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