Die Angst des wei�en Mannes
vertraute Rolle der »vox clamantis in deserto«. Bei den stets wohl gesinnten Kollegen der großen Gazetten erntete meine negative Vor aussage Widerspruch und Spott. Nur die erfahrensten amerikanischen Kombattanten, die Elitetruppe der »Green Berets«, äußerten von Anfang an eine ähnliche Skepsis. Ein Elefant kann keine Ameisen zermalmen, hieß es dort. Von den krampfhaft aufgeblähten Einheiten der »Special Forces«, die seit 2001 und 2003 in Afghanistan und im Irak die Hauptlast des Kampfes tragen, unterschieden sich die »Green Berets« von Vietnam durch höheren IQ, durch besseres Training und eine vorzügliche Kenntnis des Terrains.
In gewissen Kreisen des Pentagon und auch bei den Offizieren der US Marines, die ich am siebzehnten Breitengrad aufsuchte, schwelgte man damals noch in extravaganten Ambitionen. Da ging es nicht nur um die Unterwerfung eines rebellischen Zwergstaates am Roten Fluß, den Air Force General Curtis LeMay in die Stein zeit zurückbomben wollte. Für eine wirklichkeitsfremde, aber kriegslüsterne Lobby in Washington schlug offenbar die Stunde der großen Revanche gegen die Volksrepublik Mao Zedongs und jene Rotte von roten »gooks«, die in Peking die Macht an sich gerissen hatten. Dieses kommunistische Zwangsregime stehe auf tönernen Füßen, werde unweigerlich den zentrifugalen Kräften des Riesen reiches erliegen und den Weg frei machen für eine von Amerika kontrollierte Form von Demokratie und Kapitalismus. Das waren keine abstrakten Hirngespinste.
Zum gleichen Zeitpunkt hatte ich die abtrünnige Insel Taiwan aufgesucht, wo Marschall Tschiang Kaischek nach seiner Niederlage von 1949 Zuflucht gefunden hatte. Seine von Amerika aufgerüstete und straff disziplinierte Nationalarmee des Kuomintang wartete ungeduldig auf grünes Licht aus Washington, um gegen das nahe Festland vorzustürmen und die marxistischen Mandarine zu verjagen. Wie konsequent die Gegenregierung von Taipeh sich auf die große Schlacht vorbereitete, konnte ich bei einer großzügig gewährten Inspektion der Inselfestung Quemoy feststellen. Diese weit vorgeschobene Bastion, die mit schwerer Artillerie bestückt und zu einemKlotz aus Beton und Stahl ausgebaut worden war, sollte als Sprungbrett für die geplante Offensive dienen. Mit dem Feldstecher konnte man von Quemoy aus in aller Deutlichkeit die Abwehrstellungen der Volksbefreiungsarmee erkennen, die sich rund um den Hafen Amoy, heute Xiamen, hinzogen.
Am Ostrand des Pazifischen Ozeans, dem langgestreckten Küs tenstreifen Lateinamerikas, registrierte die CIA zwar mit Argwohn eine gesteigerte marxistische Agitation, die ein paar Jahre später tat sächlich zur vorübergehenden Machtergreifung des Sozialisten Sal vador Allende in Santiago de Chile führen sollte. Der starke Arm Langleys reichte damals noch bis zur Südspitze Feuerlands.
Über der Volksfrontregierung Allendes, dessen spektakuläres, ja provozierendes Verbrüderungsfest mit Fidel Castro ich Ende 1971 an Ort und Stelle miterleben konnte, schwebte von Anfang an das Damoklesschwert des »Pronunciamiento«, des Putsches einer pro amerikanischen Offiziersclique unter General Pinochet. Der chi lenische Dichter und Nobelpreisträger Pablo Neruda hat den Un tergang seines Gesinnungsgefährten Salvador Allende in elegischer Prosa beklagt: »In seinem Arbeitszimmer erwartet er den Tod ohne weitere Gesellschaft als sein großes Herz, umgeben von Rauch und Flammen«, so schrieb er. Der Zugriff Washingtons auf den latein amerikanischen Subkontinent hatte sich wieder einmal durchge setzt. Das Ostufer des Pazifik blieb »clean«.
Reise auf einen fremden Stern
Drake-Passage (Austral-Ozean), im März 2007
Die Drake-Passage zwischen Feuerland und den Schottland-Inseln wird bereits dem Austral-Ozean zugerechnet. Sie gilt neben dem benachbarten Kap Hoorn als der trügerischste, von unberechenbaren Riesenwogen stets aufgewühlte Meeresdurchlaß, dem so manchesstolze Segelschiff zum Opfer fiel. Der russische Eisbrecher Gregory Mekejew stampfte mühselig, aber sicher dem südlichsten argentinischen Hafen Ushuaia und der schmalen Beagle-Street entgegen, wo die See sich beruhigen würde.
Hinter uns lag die Antarktis, und ich war froh, daß wir uns keinem der großen Luxusdampfer anvertraut hatten, deren kompakte Tou ristenschar diese Einöde aus Eis, Fels und Nebel entweiht hätte. So konnten wir uns in Gesellschaft einer robusten russischen Schiffsbe satzung der Illusion hingeben, in den roten
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