Die Angune (German Edition)
19
Die Angune
19. Tag im 3. Sternenhaus des 5289. Sonnenumlaufs
D ran'ja Do'ul Corón, die alte Maga, hatte etwas gesehen was sie nicht verstand und fühlte sie sich unbehaglich.
Das hässliche Reptilienauge das sie in ihrem magischen Blätterrahmen gesehen hatte, war der Grund ihres Unbeh agens. Nicht, dass das Auge ihr Angst eingejagt hätte. Wohl hatte sich die Uri bei seinem Auftauchen erschrocken, denn sie war nicht darauf gefasst gewesen. Aber Angst vor dem Auge hatte sie keine empfunden.
Nein, das war nicht der Grund ihres Unbehagens.
Was sie weitaus mehr beschäftigte, war, dass sie das Auftauchen dieses hässlichen Auges nicht verstand. Drachen gab es nur in Wyvergard, im Reich der grauen Elben, weit weg von Rinu'usala, und weit weg von der Gegend in der sie die Angune vermutete. Sie hatte versucht einen Kontakt zur weißen Daimonia herzustellen, doch ihre telepathische Übertragung war offensichtlich von einem Drachen aus Wyvergard abgefangen und blockiert worden. Eines dieser hässlichen Urweltmonster hatte ihrem Raben nicht erlaubt, in Gedanken bis zur Angune vorzudringen. Und das war außergewöhnlich! Wenn es nicht sogar unmöglich war!
Die alte Maga wusste, dass die Grauelben auf ihren Dr achen mit Hilfe von Gedankenübertragung flogen. Aber sie selbst war weder vom Volk der Grauelben, noch verfügte sie über die Fähigkeiten der Grauelben. Und trotzdem hatte ihr Rabe eine telepathische Verbindung zu einem dieser Drachen aufgebaut!
Und das warf eine Reihe von Fragen auf, die die Uri Dran'ja nicht beantworten konnte. Sie musste unbedingt den alten Meister der Schriften Calaele'en Obra Barkarië aus Rinu'usala sprechen. Er hatte sie vor drei Dekadomen aufgesucht, weil er in einer Sache ihren Rat suchte. Und jetzt war es an ihr, den alten Meister der Schriften aus demselben Grund aufzusuchen. Vielleicht konnten sie zusammen etwas Licht in diese rätselhaften Vorgänge bringen.
Die alte Maga hatte ihre Famula nach Siba geschickt, um sich über den Platz zu informieren wo der alte Meister der Schriften lebte, und sie hatte erfahren, dass er viel Zeit in der Großen Liberey in Rinu'usala verbrachte, sich ansonsten aber in seinem Anwesen in den Hügel n der Ma'akuney aufhielt. Und so reiste sie am 19. Tag im 3. Sternenhaus zum Anwesen des Meisters der Schriften.
Es war ein großes und alleinliegendes Gut das oben auf e inem Hügel lag. Ein Alleenartiger Gartenweg war beidseitig von schlanken, schattenspendenden Säulenzypressen gesäumt. Beiderseits des Weges befanden sich ausgedehnte Weiden. Das Haus selbst lag halbversteckt zwischen dunkelroten Tartelbeerbüschen und zwei riesigen Schirmlasturien. An der Ostseite des Anwesens standen ein paar Krallenfruchtbäume.
Das Haus des Meister s der Schriften war ein prächtiges Gebäude und zeugte von seiner Wohlhabenheit.
Vor der Eingangstür blieb die Maga stehen. Das doppelflügelige Tor aus eisenverstärkten Eichenbohlen war verschlossen. Gleich daneben war an einer kleinen Bronzeglocke ein Kettchen angebracht, damit mögliche Besucher ihre Ankunft anmelden konnten.
Erst beim zweiten Blick fielen der Maga einige Gravuren an der kleinen Glocke auf. An der Flanke bemerkte sie ein eing egossenes Zeichen in der Mitte eines ovalen Hochreliefs. Genauer gesagt waren es drei Ovale, die sich über einen 60° Grad Abstand um die Glockenflanke verteilten.
Darunter, im Glockenkranz eingegossen, stand eine I nschrift:
"Wenn Friede du bringe, dies Glöcklein hell klinge"
Und an der Glockenkrone fand sie eine weitere Inschrift.
"Hast Bosheit im Geist, der Donner zerreißt"
Die Maga nickte leise mit dem Kopf.
Schau an, schau an! Unser sachlicher Erforscher der alten Schriftrollen schützt sein Haus mit einem alten Zauber!
Die Maga studierte die kleine Glocke noch einmal von allen Seiten. Die drei Zeichen an der Glockenflanke bestanden jeweils aus einer komplizierten Triskele, die von einem Band aus Runen umschlossen war. Die drei Triskele waren uralte Zeichen, deren Bedeutung sich in der Urzeit verloren. Sie waren selbst der erfahrenen Maga zum Teil unbekannt und zeugten vom Können eines großen Lehrmeisters. Und die Runen hatten keinen Mitteilungswert sondern waren eindeutig magischen Charakters. Sie ermöglichten die Anwendung der geheimnisvollen Triskele. Und wie die drei Triskele angewandt werden würden, erläuterten die beiden Inschriften.
Betätigte jemand die Glocke, der friedlich des Weges daher kam, so ertönte ein helles Klingen der kleinen
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