Die Angune (German Edition)
lief in kurzen Sprüngen und ohne Eile den Berghang hinauf und verschwand in einer Höhle. Die Höhle war keinen Steinwurf von Cornelia entfernt, und trotzdem hatte sie die Höhle nicht gesehen.
Sie wollte schon weglaufen, als der Kopf des Tiers wieder in der schwarzen Öffnung auftauchte. Unbeweglich schaute das Tier Cornelia an, die ihrerseits den Blick sofort wieder auf den Boden richtete. Dann verschwand der Wolf endgültig in der Höhle. Langsam setzte sich Cornelia in Bewegung. Im Wald einen Abhang rückwärts hinunter zu gehen war nicht einfach. Schritt für Schritt ertastete sie sich ihren Weg nach unten. Manchmal verlor sie das Gleichgewicht und musste sich mit den Händen abstützen um nicht zu fallen. Aber stets hielt sie den Blick auf den Höhleneingang gerichtet.
Doch der Wolf kehrte nicht zurück.
Als sie unten am Wanderweg angekommen war, richtete sie einen letzten Blick den Abhang empor. Doch von hier unten konnte sie die Höhle nicht mehr sehen. Sie drehte sich um und rannte los. Fünfzig Meter, hundert Meter. Dann blieb sie kurz stehen und schaute zurück. Doch niemand folgte ihr. Sie war alleine im Ansenbachtal. Nur die Vögel des Waldes leisteten ihr Gesellschaft. Irgendwo sang ein Kuckuck. Oder waren es Tauben. Cornelia kannte den Unterschied nicht.
Eines war offensichtlich. Dies war der Wolf aus ihren Träumen gewesen!
Aber wieso hatte sie von etwas geträumt, das erst mehrere Tage in der Zukunft stattfand. Cornelia war weder gläubig noch abergläubig, doch diese Frage machte ihr zu schaffen. Es war als hätte ihr Unterbewusstsein sie vor einer Gefahr warnen wollen, doch sie hatte die Warnung offensichtlich nicht e rkannt, und nicht befolgt.
Ein Wolf im Tal des Ansenbachs!
Cornelia musste die Polizei informieren. Die Wölfe waren schon vor langer Zeit aus diesem Gebiet verschwunden. Wenn jetzt ein Wolf hierher zurückgefunden hatte, stellte er ein Sicherheitsrisiko dar. Besonders, da dies ein ausgewiesenes Wandergebiet war - so wie Andreas erzählt hatte.
Cornelia kramte ihr Mobiltelephon aus dem Rucksack und wählte die 11 3. Doch hier im Tal des Ansenbachs hatte sie keinen Empfang.
Also kehrte sie so schnell sie konnte zu ihrem Auto zurück. D en Rückweg schaffte sie in weniger als einer Stunde. Beim Auto hatte sie Empfang und wählte nochmals die 113.
»Polizei, Notrufdienst, Guten Tag.«
»Guten Tag.«, antwortete Cornelia.
»Wer sind sie und um was geht es.«
»Mein Name ist Cornelia Wandreiz. Ich wohne in Rath am Mill.«
»Guten Tag, Frau Wandreiz. Wie können wir ihnen behil flich sein.«
»Ich bin im Ansenbachtal, kurz hinter Büderstal und habe einen Wolf im Wald gesehen.«
»Wölfe gibt es in unserer Gegend schon seit dreihundert Jahren nicht mehr, Frau Wandreiz. Sind sie sicher, dass es ein Wolf war.«
»Es war ein Wolf. Es war kein Schäferhund, es war auch kein Schlittenhund. Es war definitiv ein Wolf. Ein grauer Wolf. Ich konnte ihn ganz aus der Nähe sehen. Aus vielleicht fünf Meter Entfernung.«
»Und wo haben sie diesen Wolf gesehen, Frau Wandreiz?«
»Ich habe hier eine topographische Karte in der Hand. Oben in der Schlucht des Ansenbachs ist ein Symbol für eine archäologische Fundstätte eingezeichnet. Dort habe ich ihn gesehen. Er ist dort in einer Höhle verschwunden.«
»Wir werden dem Fall nachgehen, Frau Wandreiz. Vielen Dank für den Hinweis und Auf Wiedersehen.«
»Ja! Auf Wiedersehen.«, antwortete Cornelia und dann war die Verbindung weg.
An diesem Sonntagabend wurde in den Nachrichten des regionalen Fernsehsenders RTS 4 ein Foto von einem Wolf gezeigt und dazu kam die Nachricht, dass Wanderer heute einen Wolf in der Ansenbacher Schlucht gesehen hätten, und dass sowohl die Polizei als auch der Jägerverband der Sache nachgingen. Die Meldung schloss mit der Information, dass Wölfe keine Gefahr für Menschen darstellen. Diese scheuen Tiere gehen in der Regel dem Menschen aus dem Weg.
Cornelia wunderte sich ein wenig, dass die Polizei so schnell reagierte und eine Pressenachricht veröffentlichte. A ndererseits war sie froh, dass man ernsthaft nach dem Wolf suchte, denn so scheu wie der Nachrichtensprecher dieses Tier dargestellt hatte, war der graue Wolf nicht gewesen. Vielleicht war es gar kein reinrassiger Wolf, sondern ein Bastard. Oder er war krank. Vielleicht hatte er Tollwut.
Die Nachricht wurde jeden Tag bis zum Donnerstag wi ederholt. Dann schien der Fernsehsender sein Interesse an der Story verloren zu haben. Es kam nur noch eine
Weitere Kostenlose Bücher