Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
empfohlen, das Gnadengesuch abzulehnen. Ein paar von unseren Anwälten – Überbleibsel aus der Trotter-Administration – haben es ebenfalls studiert und eine Ablehnung empfohlen. Also sollte genug Material vorhanden sein, aus dem du auswählen kannst.«
Ah. Jetzt verstand ich. Ich sollte mich an den Empfehlungen
des Bewährungsausschusses für Häftlinge orientieren, ebenso wie an unseren internen Anwälten. Damit war von vorneherein klar, wie mein Urteil ausfallen sollte.
»Wir lehnen das Gnadengesuch ab«, sagte ich.
»Natürlich. Er hat eine Mutter und ihr Kind ermordet. Oh, hier ist es.« Sie fand irgendein Dokument, nach dem sie gesucht hatte, und kritzelte eine Notiz darauf. »Danke«, sagte sie.
Ich war mir nicht ganz sicher, wofür sie mir dankte.
Sie blickte mich erneut über ihre Brille hinweg an. »Danke. Das war’s.«
Ah. Ich fand selbst den Weg zur Tür. Meine Verabschiedung war eine kleine Spur höflicher ausgefallen als die Hectors. Wobei mir schleierhaft war, warum sie ihn überhaupt hinausgeschickt hatte – auch wenn ich im Grunde froh darüber war. Ich trug den F-Bird bei mir, und ich hoffte, Hector das Vergnügen ersparen zu können, das die damit gemachten Aufzeichnungen nach sich zogen. Offenkundig war Hector in einiges nicht eingeweiht, bei dem ich hier aushelfen sollte – vor allem in den ganzen illegalen Kram.
Als ich in mein Büro zurückkehrte, hatte Charlie Cimino mir eine Nachricht hinterlassen. Ich sollte ihn auf seinem Handy anrufen.
»Die Flitterwochen sind vorbei«, verkündete er mir. »Um sechs treffen wir uns zum Dinner.«
66
Ich traf Charlie vor dem State Building. Wir sprangen in ein Taxi und fuhren in Richtung Norden.
»Sie steigen genau zum richtigen Zeitpunkt bei uns ein«, sagte Charlie. »Wir haben schon lange einen Anwalt gebraucht. «
»Haben Sie einen Mangel an Anwälten? Eigentlich sind die nicht schwer zu finden, Charlie.«
»Aber keine aus unserem Stall.« Er blickte mich an. »Sie müssen bedenken, Carl ist erst seit einem Jahr Gouverneur. Und das Amt ist ihm ziemlich unerwartet zugefallen. Die meisten seiner Mitarbeiter sind Lang Trotters Leute.«
»Republikaner?«
»Na ja, das auch — aber was noch wichtiger ist, es sind nicht Carls Leute. Ich meine, es war ein fliegender Wechsel. Trotter hat nicht angekündigt, dass er nach Washington geht. Carl brauchte allein drei Monate, um Madison zu finden. Und bevor Maddie hier auftauchte, konnten diese Burschen hier ihren Arsch nicht von ihrem Ellbogen unterscheiden. Wie Sie wissen, war Carl erst in der städtischen Verwaltung und dann Vizegouverneur. Er hatte also nie richtig was zu tun. Und dann ist er plötzlich Gouverneur. Diese Jungs« – Charlie kicherte angesichts der Erinnerung –, »diese Jungs haben sich angeschaut und gefragt: ›Was machen wir jetzt?‹ Ich meine, sie sind immer noch dabei aufzuholen. Und jetzt steht auch noch die Wahl ins Haus«, fügte Charlie hinzu. »Er selber hat noch nie einen Anwalt angeheuert – nicht auf diesem Niveau und niemanden mit Ihren Fähigkeiten.«
All das war vermutlich Musik in Chris Moodys Ohren,
wenn er den F-Bird abhörte. Die verschwörerischen Machenschaften – worin auch immer sie bestanden – waren noch im Entstehen und warteten darauf, sich vor den Augen des FBI zu entfalten.
Zehn Minuten später trafen wir im Travelers ein, einem traditionellen Steakhouse auf der anderen Seite des Flusses. Der Laden war brechend voll, was Charlie allerdings nicht davon abhielt, quer durch die Menge auf einen Bereich im hinteren Teil des Restaurants zuzusteuern, der durch einen breiten Gang und eine rote Kordel abgetrennt war. Dort saß ein Mann alleine an einem Tisch, in den Händen ein Glas Scotch. Ich war dem Kerl noch nie persönlich begegnet, hatte aber sein Foto auf einer Pinnwand in Suite 410 gesehen.
»Brady MacAleer, Jason Kolarich«, stellte Charlie uns vor.
»Nennen Sie mich Mac.« Er sorgt dafür, dass der Apparat läuft ›wie geschmiert‹, hatte Moody über Brady MacAleer gesagt. Er sah definitiv aus wie jemand, der den nötigen Druck machen konnte, wenn irgendwo etwas nicht wie gewünscht lief. Breite Brust, kurze Beine, ein wettergegerbtes, flaches, viereckiges Gesicht, das offensichtlich schon einige Kratzer abbekommen hatte. Sein gelichtetes Haar war an den Seiten militärisch kurz geschnitten. Seine Augen waren schmal, blutunterlaufen und musterten mich feindselig. Ich war ein Neuer, ein Unbekannter, und Männer wie er mochten keine
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