Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
zahlreiche Kinder und Jugendliche im Publikum, doch die meisten waren Erwachsene; etwa zwei Drittel der versammelten Menschen hatten dunkle Haut und ein Drittel weiße. Wir befanden uns im Süden der Stadt an der Duerson Highschool. Das Schulgebäude war dringend renovierungsbedürftig,
aber die Sporthalle war in ziemlich gutem Zustand. Einer aus meinem früheren Footballteam stammte aus Duerson, dennoch hielt ich mich zum ersten Mal in diesem Gebäude auf.
»Danke für den herzlichen Empfang«, sagte der Gouverneur. »Wie Sie wissen, ist mein Name Gouverneur Snow, und normalerweise ist es eine schlechte Nachricht, wenn um diese Jahreszeit Schnee kommt.«
Vermutlich machte der Gouverneur diesen Witz nicht zum ersten Mal, aber dem Publikum gefiel es. In einer Ecke nicht weit von mir stand eine Gruppe von Wahlkampfreportern, und die Blicke, die einige von ihnen tauschten, deuteten darauf hin, dass sie diesen Spruch schon mehr als einmal gehört hatten.
Ich stand neben Hector Almundo, der wie üblich exquisit und farbenfroh gekleidet war. Er war gemeinsam mit dem Gouverneur eingetroffen, war aber dann zu mir herübergekommen und hatte mir eine kurze Einführung gegeben. Das Thema des heutigen Tages war die Bildung. Der Gouverneur würde über seinen Plan sprechen, mehr Lehrer an die städtischen Schulen zu schicken, indem er das Glücksspiel förderte und ein neues Casino vor der Stadt errichten ließ; die dadurch erzielten zusätzlichen Steuereinnahmen sollten zum Teil den Schulen zugutekommen.
Mir war zwar bewusst, dass wir in diesem Staat ein paar Casinos hatten, aber bisher hatte ich weder je eins betreten, noch hatte ich mir Gedanken über die moralischen Auswirkungen der Legalisierung von Glücksspiel gemacht. Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, dann war meine Devise wohl: Geh einfach nicht hin, wenn du nicht spielen willst. Gleichzeitig hatte Glücksspiel einen ähnlich unangenehmen Beigeschmack
wie Prostitution und Drogensucht; und die leidenschaftlichsten Spieler – die verzweifelt auf den großen Treffer aus waren – schienen immer ausgerechnet diejenigen zu sein, die es sich am wenigsten leisten konnten.
»Also, diese Menschen hier scheinen seinen Vorschlag gut aufzunehmen«, sagte ich zu Hector gebeugt.
»Diese Leute sind zum größten Teil Lehrer«, erwiderte er. »Für sie macht er das Ganze.«
Aha. Er mobilisierte die Basis. »Warum bemüht man sich überhaupt um Leute, die ohnehin für einen stimmen?«
Hector drehte sich zu mir und lächelte. Ach ja, wie konnte man nur so naiv sein. Er beugte sich zu mir herüber und musste die Stimme erheben, während die Menge in Applaus ausbrach. »Das sind alles nur Statisten, Jason. Er macht das für die Kameras. Diese Kampagnen laufen heutzutage hauptsächlich übers Fernsehen. Oder übers Internet. Beides etwa zu gleichen Teilen. Plus G-O-T-V.«
Ich hatte keinen Schimmer, was das sein sollte. »Ist das was anderes als normales TV?«
Sein Lächeln wurde noch breiter. »Get out the vote. Mobilisier die Wähler«, brüllte er über den Lärm hinweg. »Je begeisterter die Wähler sind, desto zuverlässiger gehen sie oder ihre Freunde an die Wahlurnen. Wir brauchen positive Ergebnisse in der Stadt, denn Willie schlägt sich ziemlich gut unten im Süden.«
Der Gouverneur redete noch etwa dreißig Minuten. Er machte seine Sache wirklich nicht schlecht. Er wusste, wie man Pausen und Akzente setzte und die Verbindung zum Publikum herstellte. Er hatte zwar dieses blödsinnige Politikerlächeln im Gesicht, aber das hatten sie ja alle, also war es wohl kein echtes Handicap.
Als die Show vorüber war, folgte ich Hector und schloss mich der Entourage des Gouverneurs an. Sie bestand aus Polizeibeamten, Madison und einigen anderen Personen; unter anderem einem Mann, den ich aufgrund des Fotos, das Chris Moody mir gezeigt hatte, als William Peshke identifizierte. Wir verteilten uns auf drei Stretchlimousinen, die Teil der Inszenierung fürs Fernsehen waren. Ehe ich mich versah, landete ich in einem Wagen mit Hector und Peshke. Und mir direkt gegenüber saßen Madison Koehler und Gouverneur Carlton Snow.
Der Gouverneur streckte die Hand aus. Madison spritzte etwas Desinfektionsmittel in seine Handflächen, und er rieb die Hände genussvoll aneinander, als hätte er sich gerade zu einem großen Mahl niedergelassen. Dann nahm er eine beschlagene Flasche Wasser von ihr entgegen, gönnte sich einen langen Schluck und schmatzte anschließend befriedigt mit dem
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