Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
Todesstrafe zu retten versuchten, die in wenigen Tagen vollstreckt werden sollte.
Die Befragung der Richter sollte genau um acht beginnen, für jeden war eine halbe Stunde vorgesehen, dazwischen jeweils eine Verschnaufpause von fünfzehn Minuten. Um elf Uhr dreißig wäre ich damit fertig.
Erneut ging ich meine Liste durch. Vier Richter vom Strafgericht, zwei vom Berufungsgericht. Hätte es sich um ein echtes Auswahlverfahren gehandelt, hätte ich mich vermutlich auf die beiden Berufungsrichter konzentriert. Ihre Tätigkeit kam der beim Obersten Gerichtshof am nächsten, sie hatten eine Reihe von Veröffentlichungen vorzuweisen und waren es gewohnt, sich auch theoretisch mit Rechtsfragen auseinanderzusetzen. Außerdem hätte ich bei einem legitimen Wettbewerb natürlich mit anderen Anwälten gesprochen – zum Beispiel mit Paul Riley – und ihn um eine Empfehlung gebeten.
Aber dies war kein ehrlicher, offener Wettbewerb. Es war eine reine Scheinveranstaltung. Und wenn der Gouverneur einen Strafrichter an den Obersten Gerichtshof des Staates berufen wollte, würde das einigen Leuten sauer aufstoßen, und ich musste gute Argumente dafür liefern. Daher die vier anderen Strafrichter auf der Kandidatenliste. Ich wollte den Eindruck erwecken, als würde der Gouverneur bewusst über den Tellerrand hinausblicken; als würde er jenseits des Elfenbeinturms der Berufungsrichter nach Leuten suchen, die mit beiden Händen zugepackt und an der Front gestanden hatten. So würde es weniger deplatziert wirken, wenn Snow mit Ippolito schließlich jemanden aus dem Kreis der Strafrichter auswählte.
Ich betrachtete meine Doppelrolle und die komplizierten Täuschungsebenen, in die ich verwickelt war, mit einer gewissen Portion schwarzem Humor. Ich war vom Gouverneur angestellt worden, um einem illegalen Berufung-gegen-Unterstützung-Deal einen Deckmantel der Legitimität zu verleihen; gleichzeitig sollte ich für das FBI einen kleinen Spalt darin offen lassen, damit sie hindurchspähen konnten. Das
Ganze hatte etwas von dem berühmten Fuchs, den man zum Wächter im Hühnerstall macht.
Für die Gespräche am Morgen hatte ich mir eine Liste von zehn eher harmlosen Fragen notiert, bei denen es in erster Linie um Rechtsphilosophie, Ethik und den Umgang mit Anwälten ging. Ein heimlicher Zeuge dieser Gespräche wäre höchstwahrscheinlich zu dem Schluss gekommen, dass sie sich kaum von den Befragungen unterschieden, die der Rechtsausschuss des Senats auch sonst mit den Kandidaten für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten führte. Einfach so zum Spaß wollte ich sie außerdem fragen, ob ihrer Ansicht nach das Urteil über das persönliche Recht auf Schwangerschaftsabbruch im Verfahren Roe gegen Wade aufgehoben werden sollte.
Doch im Grunde war das Ganze alles andere als ein Spaß. Im günstigsten Fall war es eine Zeitverschwendung für die »Kandidaten« und mich. Im schlimmsten Fall erweckte ich Hoffnungen bei Menschen, die keinerlei Chance auf die Berufung hatten und deren guter Leumund womöglich durch diesen Zusammenhang befleckt wurde, sobald das FBI zuschlug.
Das Gespräch mit George Ippolito hatte ich auf den Nachmittag verlegt, um mir den unangenehmsten Teil für den Schluss aufzuheben. Außerdem war es unter strategischen Gesichtspunkten sinnvoll. Bei Ippolito musste ich den FeeBee bei mir tragen, den ich bei den anderen Gesprächen nicht einstecken würde. Es war eine Bedingung, die ich gestellt und der das FBI zugestimmt hatte. Es war schon schlimm genug, dass ich bei diesen Richtern falsche Erwartungen weckte und in der Folge möglicherweise sogar ihr Ruf geschädigt wurde; ich würde nicht auch noch die Gespräche
aufzeichnen, wenn keinerlei Anlass dazu bestand, sie für korrupt zu halten.
Daher hatte ich bewusst Zeit zwischen Ippolito und den anderen gelassen. Diese nutzte ich, um hinunter in den Restaurationsbereich im Erdgeschoss des State Building zu fahren, scheinbar um dort ein schnelles Mittagessen zu mir zu nehmen. Ich stellte mein Tablett mit Pasta auf den Tisch im Foyer, gerade als ein anderer Gast – ein gewisser Lee Tucker – von besagtem Tisch aufstand und dort den F-Bird liegen ließ.
Wieder zurück in meinem Büro, den FeeBee in der Tasche, bildete sich ein schmerzhafter Knoten in meinem Magen, als mir die Empfangsdame George Ippolito ankündigte.
Nach seinen verwitterten Gesichtszügen zu schließen, war George Ippolito irgendwo in seinen späten Fünfzigern. Sein schütteres Haar hatte
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