Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
rein, mit Ihrer eigenen Agenda, ohne das vorher mit mir abzuklären. Haben Sie das verstanden?«
Er hatte recht, trotzdem würde ich mich nicht daran halten. Er konnte nicht ahnen, dass meine Agenda in einigen Punkten deutlich von der des FBI abwich. Sie versuchten, ein paar Schwindlern das Handwerk zu legen. Ich wollte einen Mordfall aufklären. Außerdem war ich stinksauer auf Cimino und seine Leute, weil sie mich in ihren Sumpf hineingezogen hatten. Nur aus diesen beiden Gründen spielte ich das Spiel
des FBI mit. Letztendlich jedoch ging es für mich einzig und allein um Ernesto Ramirez, nicht um einen politischen Korruptionsfall. Ich wollte Ciminos Vertrauen gewinnen, um in den inneren Zirkel vorzudringen und etwas über Ernestos Mörder herauszufinden. Wenn nebenbei auch noch Cimino eingebuchtet wurde, weil er sich illegal aus öffentlichen Kassen bereichert hatte, dann meinetwegen.
»Sie haben verlangt, dass ich Cimino einen Köder hinwerfe«, sagte ich. »Ich denke, nichts anderes hab ich getan.«
»Das hoffe ich in Ihrem Interesse.«
Ich schüttelte den Kopf, als wäre er ein wenig begriffsstutzig. »Denken Sie wie Cimino«, forderte ich ihn auf. »Ich weigere mich, diese bescheuerten Memos für ihn zu schreiben. Trotzdem schmeißt er mich deswegen nicht raus. Er verliert mir gegenüber kein einziges Wort darüber. Er lässt sie einfach von jemandem umschreiben, wobei mein Name immer noch daruntersteht. Das heißt, er benutzt und hintergeht mich. Dann schickt er diesen Hauser zu mir, der mich als Anwalt anheuert. Das ist seine Art, ›Entschuldigung‹ und ›Dankeschön‹ zu sagen. Das ist seine Welt. Er hat mir ein Angebot gemacht, Lee, und er will sehen, ob ich es annehme. Er wettet darauf, dass ich es tue. Also, was hab ich da drin gemacht? Ich habe einfach ja gesagt. Ich hab dafür gesorgt, dass er sich für den cleversten Kerl der Welt hält. Sie glauben, ich hätte ihn misstrauisch gemacht? Ich denke, ich habe einfach nur seinem Ego geschmeichelt.«
Tucker starrte mich lange an. Sein eines Auge war wie zu einem Zwinkern geschlossen und seine Miene gab nichts von seinen Gefühlen preis. »Ich bin schon mit Hunderten von Ihrer Sorte fertiggeworden«, erklärte er schließlich. »Kerle, die glauben, sie wären plötzlich Experten in diesen Dingen.«
»Und hatten sie alle so einen klaren, frischen Atem wie ich?«
Er lachte, aber es klang nicht sonderlich freudvoll. »Klar, Sie sind natürlich der beschissene Überflieger, der alle anderen in die Tasche steckt, oder, Kolarich?«
Mein Handy klingelte. Eine unbekannte Nummer. Lee schien verärgert darüber, dass ich mitten im Gespräch einen Anruf entgegennahm, und genau aus diesem Grund tat ich es.
»Mr. Kolarich? Hier ist Janine von Ciriaco Properties. Mr. Cimino möchte, dass Sie morgen früh um neun in sein Büro kommen. Er will mit Ihnen über Ihr geschäftliches Angebot reden.«
»Aber sicher doch, Janine«, sagte ich mit viel künstlichem Schmelz in der Stimme und in Lees Richtung gewandt. »Ich werde morgen um neun bei Mr. Cimino sein.«
Ich klappte das Handy zu und dachte einen Moment lang nach. Ich ließ den Anruf vor meinem inneren Ohr noch einmal ablaufen.
»Tun Sie sich keinen Zwang an, Überflieger«, sagte Tucker. »Klopfen Sie sich selbst auf die – was ist?«
Irgendetwas war faul an der Sache. Ich schüttelte den Kopf. Ich gab Tucker den Anruf wörtlich wieder.
»Also?«, sagte er. »Dann treffen wir uns um acht Uhr dreißig zur Übergabe.«
Ich drehte eine Runde um den Tisch und blieb dann stehen. »Nein«, sagte ich.
Tucker stutzte einen Moment. »Nein?«, fragte er, ohne echten Kampfgeist. Vielleicht war ihm ein ähnlicher Gedanke gekommen wie mir.
»Es war irgendwas an ihrer Formulierung. ›Er will mit Ihnen über Ihr geschäftliches Angebot reden.‹ Das klang so, als hätte Cimino es ihr buchstabiert.«
»Hm. Kann sein. Will er vielleicht sichergehen, dass Sie – falls Sie ein Aufzeichnungsgerät bei sich tragen – es morgen auf alle Fälle tun?«
»Dann trage ich keines«, erklärte ich.
»Das schafft mir Probleme, das wissen Sie.«
Natürlich wusste ich das. Schließlich war ich Verteidiger gewesen. Wenn ein Informant das Aufzeichnungsgerät nur gelegentlich trägt, dann sind die übrigen Gespräche Gegenstand des Kreuzverhörs. Ein guter Anwalt wird einwenden, der Informant hätte den Angeklagten während der nicht aufgezeichneten Gespräche in eine Falle gelockt und den Rekorder nur eingeschaltet, wenn es
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